Nach „Liebe mich!“
(fd 43 279) widmet sich Mumblecore-Experte Philipp Eichholtz erneut einer Frau, die erhebliche Probleme hat, ihr nicht mehr ganz so jugendliches Dasein in ruhige Fahrbahnen zu steuern. Die Berlinerin Luca versucht, mit über 25 das Abitur zu nachzuholen, um Tiermedizin studieren zu können. Hinter ihr liegen zehn depressive Jahre, in denen ihr schon das Aufstehen, Anziehen, Waschen und Essen als unüberwindbare Hindernisse erschienen. Ein bulgarischer Hund, den sie bei einer Hilfsorganisation fand, hilft ihr auf die Sprünge. Wegen ihm muss sie aus dem Haus, egal wie tief ihr Stimmungsbarometer gerade entgleist. Sie besucht eine Abendschule, in der ihre Mutter Englisch unterrichtet, bemüht sich dranzubleiben, auch wenn sich Mathe als ihre Achillesferse erweist. Mit einem in Englisch schwächelnden älteren Automechaniker schließt sie einen solidarischen Pakt. Das ungleiche Paar trifft sich regelmäßig zu Nachhilfestunden, motiviert sich gegenseitig und gibt sich emotionalen Halt. Auch die liebevoll fordernde Mutter und bedingungslos unterstützende Oma tun alles, damit Luca ihr Ziel nicht aus den Augen verliert. Doch da sind auch noch ihre Freunde aus der bisherigen punkigen Existenz, die sie kurz vor den Prüfungen mit durchtanzten Nächten, Alkohol- und Drogenexzessen ablenken und beinahe in den Absturz treiben.
Ähnlich wie „Liebe mich!“ lebt auch dieses Frauenporträt von der Präsenz eines Berlins, das, statt mit kosmopolitischem Hipster-Flair zu blenden, mit einer erheblich ramponierten Aura die Hauptstadt als Zuflucht für dysfunktionale Außenseiter feiert. Die Zutaten aus atmosphärischer Musik, unverstellten Amateuren und jeder Menge Straßendreh ähneln dem Vorgänger, nur dass der geschmeidige Schnitt diesmal den Eindruck einer unterversorgten Low-Budget-Produktion vergessen lässt. Obwohl die ruhige Machart jede künstliche Zuspitzung scheut, stellt sich dank der Nähe zur Hauptfigur, einem wider Willen verunglückten, zwischen Stärke und Mangel an Ausdauer schwankenden Menschen, ein hohes Mitgefühl ein. Mit fatalistischer Sanftmut lässt sich die Tragik der finalen Ereignisse nicht mehr überstehen. Luca muss sich zum Leben positionieren, kann sich nicht mehr treiben lassen, und wie Martina Schöne-Radunski diesen Abschied von der Tyrannei des Nichtanpackens in allen qualvollen Schattierungen ausspielt, sollte unbedingt ihren Einstieg ins Profi-Fach beschleunigen.