Drei 16-jährige Jugendliche, zwei Jungen und ein Mädchen, gelten an ihrem Gymnasium in Udine als Außenseiter. Der eine der beiden jungen Männer macht keinen Hehl daraus, homosexuell zu sein, der andere gilt als unterbelichtetes Basketball-Ass, die Schülerin wiederum als Schlampe. In ihrer Freundschaft finden sie die Kraft, dem alltäglichen Mobbing zu begegnen. Eine mal heitere, mal melancholische Tragikomödie übers Erwachsenwerden, die in „stylischen“ bunten Pop-Fantasien voller Musik und Tanz den jugendlichen Aufbruch feiert. Zunehmend drängen sich dunklere Töne in die Handlung, als die aufkeimende Liebe zwischen den Jungs das Trio in Frage stellt.
- Ab 14.
Ein Kuss
Drama | Italien 2016 | 107 Minuten
Regie: Ivan Cotroneo
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Filmdaten
- Originaltitel
- UN BACIO
- Produktionsland
- Italien
- Produktionsjahr
- 2016
- Produktionsfirma
- Indigo Film/Titanus/Lucky Red/Rai Cinema
- Regie
- Ivan Cotroneo
- Buch
- Ivan Cotroneo · Monica Rametta
- Kamera
- Luca Bigazzi
- Musik
- Mika
- Schnitt
- Ilaria Fraioli
- Darsteller
- Rimau Ritzberger Grillo (Lorenzo) · Valentina Romani (Blu) · Leonardo Pazzagli (Antonio) · Simonetta Solder (Blus Mutter) · Giorgio Marchesi (Blus Vater)
- Länge
- 107 Minuten
- Kinostart
- 12.01.2017
- Fsk
- ab 12
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Dreiecksgeschichte unter Außenseitern in der norditalienischen Stadt Udine
Diskussion
Sie singen schon denselben Song, als sie sich noch gar nicht kennen. Das Waisenkind Lorenzo kommt aus Turin nach Udine, weil seine Adoptiveltern den 16-Jährigen gewählt haben, obwohl er auf geradezu flamboyante Weise schwul ist und sich in der Öffentlichkeit provokant und herausfordernd-selbstbewusst als Popstar inszeniert. Auch Blu ist 16 und gilt in der Schule als Schlampe, weil sie es einmal mit vier Männern gleichzeitig getrieben haben soll. Sie selbst wertet diesen Ruf als Ausdruck des Neids, der sich auf ihren hochgradig attraktiven Freund bezieht, obwohl der in Mailand arbeitet und nur selten noch nach Udine kommt. Dritter im Bunde der Außenseiter ist Antonio, ein unauffälliger Typ, solange kein Basketball in der Nähe ist. Er gilt als etwas zurückgeblieben, leidet unter dem Unfalltod seines älteren Bruders und findet nur schwer Anschluss an andere.
Gegen den Provinzmief und die Intoleranz der anderen probt dieses Trio im Namen von Lady Gaga („Born This Way“) und zu den größten Hits der 1970er- und 1980er-Jahre den Aufstand im Zeichen der Freundschaft. Unterstützt werden die drei dabei immer wieder von ihren Eltern, die ihre eigenen Träume vielleicht nicht umgesetzt haben, sich aber noch gut daran erinnern können, einmal selbst „Mod“ gewesen und Cannabis konsumiert zu haben. Blus Vater weiß sogar noch, dass Yoko Ono John Lennon einst mittels eines Apfels verzauberte. Und Lorenzos Stiefvater hält im Zimmer der Schuldirektorin ein flammendes Plädoyer für Akzeptanz, nachdem Lorenzo des Klassenzimmers verwiesen wurde, weil er sich die Fingernägel lackiert hatte.
Der als Drehbuchautor bekannt gewordene Ivan Cotroneo zeichnet in seiner dritten Regiearbeit den jugendlichen Aufbruch dynamisch als Mischung aus bunter Popfantasie voller Musik, Tanzeinlagen und ausgeprägtem Bewusstsein für YouTube, Mode und Dekors. Ein Bild des modernen Italiens, durchaus auch durchsetzt vom Bewusstsein, dass die Jugend kein besseres Leben als die Elterngeneration mehr haben wird.
In den jugendlichen Aufbruch, der in der Produktion eines die „normale“ Schulöffentlichkeit verhöhnenden Videoclips gipfelt, mischen sich allmählich dunklere Töne, weil alle drei Protagonisten erleben, dass der Preis für Enthusiasmus im Ausblenden der Realität besteht. Insbesondere Blu realisiert, dass sie gleich in mehrfacher Hinsicht ausgebeutet wird oder wurde. Als sich Lorenzo in Antonio verliebt, ist die Freundschaft des Trios massiv in Frage gestellt.
Zum Optimismus des Films gesellt sich jetzt auf allen Ebenen ein Gefühl der Überforderung; der Anpassungsdruck führt zu Strafe und Gewalt. Das Heteronormative schlägt die Abweichung mit den Waffen des Pop. Tatsächlich ist es der titelgebende „Kuss“, der scheinbar eine Utopie einlöst und tatsächlich die Katastrophe heraufbeschwört.
Als sei ihm die eigene Konsequenz unbehaglich geworden, erlaubt sich der Film dann ein alternatives, positives Ende, das zeigt, dass es relativ einfach ist, eine überfordernde Grenzüberschreitung rational und kommunikativ zu verarbeiten, ohne Gefühle zu verletzen. Dumm nur, wenn man im richtigen Moment nicht die richtigen Worte findet, weil es um Gefühle geht.
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