Shakespeares Richard III. hätte das nicht besser machen können: Wie es die skandalumwitterte Lady Susan schafft, den Abscheu eines Mannes angesichts ihres losen Lebenswandels in Bewunderung und schließlich sogar in Liebe zu verwandeln, das besitzt ganz großes Schurken-Potenzial. Dem Zuschauer geht es nicht viel anders als dem jungen Reginald: Lady Susan, die ebenso schöne wie weltgewandte Witwe, wickelt ihn mühelos um den kleinen Finger – obwohl oder gerade weil man gegenüber ihrem Verehrer sogar den Vorteil hat, das tatsächliche Ausmaß ihrer Libertinage zu kennen. Man wird sozusagen zum Verbündeten der Intrigen, mit denen sie ihren Willen durchsetzt – und sich dabei auch noch so darzustellen versucht, als wäre sie eine verkannte Heilige. Wie hellsichtig sie die Menschen, vornehmlich die Männer durchschaut, und wie geschickt sie dieses Wissen nutzt, um sie zu manipulieren, nötigt einem ebenso Respekt ab wie Susans unerschütterlicher Glaube an sich selbst, ihre Fähigkeiten und ihr Recht auf Glück.
Regisseur Whit Stillman lässt einmal mehr Kate Beckinsale, eine seiner Heldinnen aus „Last Days of Disco“
(fd 33 939), als Lady Susan antreten und stellt ihr erneut Chloë Sevigny zur Seite. Die verkörpert Susans beste Freundin Alicia Johnson, die Susan moralisch und praktisch dabei unterstützt, die gestrengen Augen der Gesellschaft an der Nase herumzuführen. Dass die beiden It-Girls diesmal Damen der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts verkörpern, macht letztlich keinen großen Unterschied: Die Verhaltenscodes und Normen, die den Rahmen für die Aktivitäten der beiden lebenslustigen Ladys abstecken, mögen anders sein, aber letztlich ist es dasselbe Spiel – eine vornehmlich verbal ausgetragene Charade um Anerkennung, Status, Zugehörigkeit und zwischenmenschliche Beziehungen.
Den Stoff dazu liefert Jane Austen, zu deren satirischen Gesellschaftsromanen über die Upper Class die Filme von Stillman schon immer eine gewisse Affinität hatten. Den Titel „Love & Friendship“ borgt er sich von einem frühen Versuch Austens in der im 18. Jahrhundert so beliebten Gattung des Briefromans; den Inhalt entlehnt er ihrem Romanentwurf „Lady Susan“ – auch das eine Erzählung in Briefform, bei deren Datierung sich die Literaturwissenschaftler nicht ganz einig sind.
Austen nutzt diese Form geschickt in parodistischer Absicht, um den Liebesdiskurs der empfindsamen Epoche durch den Kakao zu ziehen und vom romantischen Kopf auf die materialistischen Füße zu stellen; außerdem findet sie darin ein gutes Vehikel, um die Kluft zwischen gesellschaftlichem Schein und persönlichem Sein auszuloten.
Stillman inszeniert durchaus ein ansehnliches Ausstattungsstück, wie man es von einem Austen-Film ja auch erwartet; doch jedem Hauch von Betulichkeit erklärt er von Anfang an den Kampf, wenn er die handelnden Figuren und ihre zunächst ziemlich verwirrenden Beziehungen sozusagen mit der Tür ins Haus fallen lässt. Die Inszenierung macht schnell klar, dass die Teestunden, Spaziergänge und Dinners, bei denen sich die Figuren beschnuppern, mitnichten gesellige Herzstücke eines höflicheren Zeitalters sind, sondern knallharte strategische Scharmützel, bei denen es mit Intelligenz und Charme gesellschaftlichen Boden gutzumachen gilt, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste wie unglückliche Töchter, eifersüchtige Ehefrauen oder besorgte Angehörige. Der Regisseur erweist sich dabei als Meister der spitzzüngigen, perfekt getimten Gesellschaftskomödie, wobei ihn seine mitunter lustvoll am Rand der Karikatur agierende Darstellerriege tatkräftig unterstützt.
Wie Austens Romanfragment stellt auch der Film der infernalischen Lady Susan, die selbst hinter einer guten Partie her ist und gleichzeitig ihre widerwillige Tochter Frederica mit einem reichen, aber tumben Lord liiert sehen will, in ihrer Schwägerin ein Beispiel weiblichen Anstands entgegen. Doch schon in Austens Text, der in Gestalt der Briefe vielstimmig die unterschiedlichen Standpunkte versammelt, hat diese blasse Figur keine allzu guten Karten gegen die flamboyante Susan. Bei Stillman bekommt die charismatische Hauptdarstellerin obendrein Rückendeckung durch das moderne Wertesystem: Wenn es bigotte gesellschaftliche Normen einer Lady verbieten, offen zu sagen oder zu zeigen, was sie begehrt, ist eine Artistin der Doppelmoral wie Lady Susan nichts anderes als die verdiente Strafe.