Alles beginnt wie ein Melodram, mit den Klischeebildern eines Melodrams. Die Kamera senkt sich langsam vor einer breiten Fensterfront, die den Blick auf einen See freigibt. Dann die Erinnerungen: Louise Banks erzählt von Momenten, die schlaglichtartig aufblitzen, gemeinsames Glück mit ihrer Tochter Hannah, gemeinsames Leid. Hannah ist an einer seltenen Krankheit gestorben. In ihrer Behutsamkeit aber trifft diese Eröffnung mitten ins Herz, in ihrer Intimität öffnet sie sich der Empathie. Es dauert nur ein paar Sekunden, bis klar ist: In diesem Science-Fiction-Film nach einer Kurzgeschichte von Ted Chiang geht es nur am Rande um den Kitzel der Fremdheit und nie um das Moment der Erhabenheit angesichts gigantischer Raumschiffe. Man schaut, kurz nach der Ankunft der Außerirdischen, vielmehr Studenten ins Gesicht, die im Fernsehen die unglaublichen Nachrichten mitverfolgen. Und wie nebenbei schleicht sich die Erkenntnis ein, dass nichts in diesem Film so farbenfroh ist wie Hannahs Leben und Sterben, ja dass sich über die Gegenwart ein Schleier aus Grau und diffusem Licht gelegt hat.
Bei angestrengter Betrachtung ergäbe sich wohl, dass der frankokanadische Regisseur Denis Villeneuve sich schon oft mit der Verstörung angesichts des Unbekannten auseinandergesetzt hat: in dem Familiendrama „Die Frau, die singt“ (2010) genauso wie in der Doppelgänger-Phantasmagorie „Enemy“ (2013) oder dem Drogenthriller „Sicario“ (2015). Doch in Wahrheit aber fühlt sich sein neuer Film wie keine seiner Arbeiten zuvor an. Er bohrt tief in der Figurenpsychologie und versucht sich schlüssig am Philosophischen. Dabei schreitet er behutsam und größenwahnsinnig zugleich voran, bindet das Gefühl an den Kosmos und die Sprache an ganz neue Wege der Erkenntnis.
Kommunikation mit den Aliens
Die Sprachwissenschaftlerin Louise Banks erforscht genau dies. Als überall auf der Welt ellipsenförmige Raumschiffe auftauchen, ruft das US-Militär sie nach Montana, um einen Weg zu finden, mit den Neuankömmlingen zu kommunizieren. Amy Adams spielt die Linguistin als ebenso sanften wie sanftmütigen Gegenpart zu all den Militärs um sie herum, von denen sich Forest Whitaker als Colonel Weber am meisten müht, mehr als nur einen Hauch von autoritärer Pose und Alarmbereitschaft in die langsam anlaufende wissenschaftliche Untersuchung zu bringen.
Gemeinsam mit Banks wird der Physiker Ian Donnelly beauftragt, den Motiven der Außerirdischen auf die Spur zu kommen. Ein erster Ausflug in das Raumschiff, das sich den Erdenbewohnern in regelmäßigen Abständen öffnet, endet vor einer Scheibe in einem riesigen Korridor, in dem die Schwerkraft um 90 Grad zur Seite gekippt scheint. Die Ankunft an diesem Ort ist aus ständig wechselnden Perspektiven montiert, was die Verwirrung der Menschen verdeutlicht, aber auch klarmacht, dass Wahrnehmung eine subjektive, im wahrsten Sinne des Wortes standortabhängige Sache ist. Da ist es trefflich, dass die Besucher, die bald Heptapoden getauft werden, als riesige, krakenartige Vielbeiner erscheinen, die jede Möglichkeit der raschen Identifikation mit ihnen schon durch ihr Erscheinungsbild unmöglich machen.
Banks und Donnelly haben also einiges an Arbeit vor sich, während die Kraftmeier sich in Pose werfen und die allmählichen Fortschritte der Kommunikation mit den Außerirdischen schön antiproportional mit einer wachsenden Zerstrittenheit der Menschheit einhergeht, die in Russland, China, Australien, im Sudan, Dänemark und sonstwo versucht, mit den Heptapoden in Kontakt zu treten.
Villeneuve inszeniert jenseits des bisweilen überdeutlich Moralischen mit Vorsicht und ganz nah an der Figur der Linguistin entlang, so sehr, dass sich Handlung und Psychologie in der Entschleunigung beinahe verlieren, aber dennoch genügend Raum bleibt, um nicht allzu früh hinter Banks’ großes Geheimnis zu kommen, das ein Geheimnis von Sprache und Weltwahrnehmung ist.