BErliN - Aus diesem Trallala kommst du nicht raus

Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 90 Minuten

Regie: Pantea Lachin

Zurückhaltende, mitunter fast schon meditative Langzeitbeobachtung des seit Jahrzehnten in Berlin lebenden Aktionskünstlers, Galeristen und Umweltschützers Ben Wagin, der sich mit sicherem Gespür für die Wunden der Historie um die Erinnerungskultur der Hauptstadt wie der Republik verdient gemacht hat, wofür er mittlerweile auch von der Politszene geschätzt wird. Aktuell ist der 85-jährige, körperlich noch durchaus agile Künstler damit beschäftigt, schon zu Lebzeiten seinen Nachlass zu verwalten. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Guerilla Film Koop.
Regie
Pantea Lachin · Sobo Swobodnik
Buch
Pantea Lachin · Sobo Swobodnik
Kamera
Pantea Lachin · Sobo Swobodnik
Musik
Till Mertens
Schnitt
Grete Jentzen · Schokofeh Kamiz
Länge
90 Minuten
Kinostart
13.10.2016
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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TMDB

Porträt des 85-jährigen Aktionskünstlers, Galeristen und Umweltschützers Ben Wagin

Diskussion
Zu den herausragenden Eigenschaften des mittlerweile 85-jährigen Aktionskünstlers Ben Wagin gehört nach Überzeugung des Berliner Stadtmagazin „Tip“ dessen „penetrante Beharrlichkeit“, die dazu geführt habe, dass ihn „die Politik mitsamt seiner plakativen Erinnerungskunst mittlerweile einfach adoptiert“ hat. Von dieser ihm nachgerühmten Eigenschaft, die offenbar auch noch einen rauen, unmissverständlichen Ton anzuschlagen vermag, ist in der Langzeitbeobachtung von Pantea Lachin und Soso Swobodnik zwar auch hin und wieder kurz die Rede. Es geht der Dokumentation aber um Anderes. Gezeigt wird ein geradezu unentwegt kreativer Kunstschaffender, dem es durch seine Beharrlichkeit und ein paar glückliche Fügungen gelungen ist, in der Wendezeit in einer abgelegenen Brache entlang der deutsch-deutschen Grenze eine grüne Oase zu schaffen, die „Parlament der Bäume“ genannt wurde und heute mitten im Berliner Regierungsviertel liegt. Sie ist damit gewissermaßen naturwüchsig ein ebenso spektakulärer wie prominenter Erinnerungsort geworden ist. Der in Poznan gebürtig und seit 1955 in Berlin lebende Wagin hat mit seinen Kunstaktionen vielerorts die Narben der von Krieg und Teilung gezeichneten Stadt produktiv gemacht. Der „Uraltrentner ohne Rente“ (Wagin über Wagin) scheint immer in Bewegung zu sein. Seine kaum überschaubare Sammlung von Alltagsgegenständen scheint ihn unentwegt zu provozieren. Wenn er Gäste oder Schulklassen empfängt, fordert er sie auf, sich zunächst selbst ein Bild zu machen, bevor der Künstler ihnen mit erklärenden Worten „ins Hirn scheiße“. Wie soll man Wagin charakterisieren? Als Aktionskünstler? Als Umweltaktivisten? Als Naturphilosophen oder als Anarchisten? Der 85-Jährige wirkt erstaunlich präsent und auch körperlich gut in Form. Nur am Rande registriert der Film eine altersbedingte Erschöpfung und Hinfälligkeit, die über den Umgang mit dem Nachlass des Künstlers nachzudenken empfiehlt. Der Film zeigt Wagin bei der Arbeit in seinem Atelier in Tiergarten und auch bei einigen „Erinnerungsorte“-Aktionen, doch Teil des konventionellen Kunstbetriebs ist der Mann, der nie einen Manager oder Galeristen hatte, nur am Rande. Einmal kann man über einem Tor lesen: „Nicht der ist reich, der viel hat, sondern der, der wenig braucht.“ Entsprechend anspruchslos scheinen Wagins Lebensumstände, dessen plakatives Wirken sich zwar gut dokumentieren lässt, dessen mangelnde Eitelkeit aber nach anderen verlangt, um sein Wirken in größere Zusammenhänge zu stellen. Hier kommen ein paar Freunde und Kollegen ins Spiel, vor allem aber – als Abfolge von „Talking Heads“ – eine ganze Reihe sympathisierender Zeitgenossen und langjähriger Wegbegleiter aus Kultur und Politik wie der Schauspieler Hermann Treusch, der ehemalige Bundesminister Klaus Töpfer, Rita Süssmuth, Klaus Staeck oder Monika Grütters. Insbesondere die Auftritte der Polit-Prominenz zeigen, dass an der Vermutung einer vorbeugenden Adoption des umtriebigen Künstlers wohl etwas Wahres ist. Auf diese erschöpfende Beharrlichkeit, die Grenze zwischen Kunst und Leben durchlässig zu gestalten, kommt Wagin selbst zu sprechen. Bei ihm klingt das dann so: „Wie viel Traum musst du haben, um ein bisschen gegen die Wirklichkeit zu halten?“
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