In den 1960er-Jahren führt der US-Psychologe Stanley Milgram (1933-1984) Experimente durch, um zu zeigen, wie weit normale Menschen in bestimmten Situationen bereit sind, autoritäre Anweisungen durchzuführen, auch wenn andere darunter zu leiden haben. Die Ergebnisse revolutionieren die Verhaltensforschung, tragen dem Initiator aber auch öffentliche und berufliche Anfeindungen ein. Ruhig und konzentriert taucht die grandios besetzte Filmbiografie in die Welt der wissenschaftlichen Gedankenspiele und Experimente ein und bezieht den Zuschauer durch direkte Ansprache mit ein. Darüber hinaus zeigt sie pointiert die Folgen gesellschaftlich unbequemer Einsichten auf die Forschungsarbeit auf.
- Sehenswert ab 16.
Experimenter - Die Stanley Milgram Story
Biopic | USA 2015 | 102 Minuten
Regie: Michael Almereyda
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Filmdaten
- Originaltitel
- EXPERIMENTER
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- BB Film Prod./FJ Prod./Intrinsic Value Films/Jeff Rice Films
- Regie
- Michael Almereyda
- Buch
- Michael Almereyda
- Kamera
- Ryan Samul
- Musik
- Bryan Senti
- Schnitt
- Kathryn J. Schubert
- Darsteller
- Peter Sarsgaard (Stanley Milgram) · Winona Ryder (Alexandra "Sasha" Milgram) · Edoardo Ballerini (Paul Hollander) · Jim Gaffigan (James McDonough) · Anthony Edwards (Miller)
- Länge
- 102 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Biopic | Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Ein freundlicher Herr tritt in einen kargen, fensterlosen Raum, in dem sich außer den beiden Probanten noch ein Schreibtisch mit einer großen Apparatur mit vielen Kippschaltern befindet. Nachdem die Freiwilligen ihr Geld bekommen haben, das sie unabhängig von Erfolg oder Misserfolg des Experiments behalten dürfen, werden sie von dem Wissenschaftler instruiert. Aufgeteilt in „Lehrer“ und „Schüler“, wird der „Schüler“ in einem separaten Raum via Mikrophon mit Fragen konfrontiert. Beantwortet er diese falsch, ist der „Lehrer“ gehalten, ihm mittels der imposanten Apparatur Elektroschocks als „Bestrafung“ zu verabreichen.
Diskussion
Ein freundlicher Herr tritt in einen kargen, fensterlosen Raum, in dem sich außer den beiden Probanten noch ein Schreibtisch mit einer großen Apparatur mit vielen Kippschaltern befindet. Nachdem die Freiwilligen ihr Geld bekommen haben, das sie unabhängig von Erfolg oder Misserfolg des Experiments behalten dürfen, werden sie von dem Wissenschaftler instruiert. Aufgeteilt in „Lehrer“ und „Schüler“, wird der „Schüler“ in einem separaten Raum via Mikrophon mit Fragen konfrontiert. Beantwortet er diese falsch, ist der „Lehrer“ gehalten, ihm mittels der imposanten Apparatur Elektroschocks als „Bestrafung“ zu verabreichen, die von Mal zu Mal gesteigert werden. Bis hin zu 450 Volt, einer tödlichen Ladung. So sieht es die Versuchsanordnung der so genannten Milgram-Experimente vor, mit denen der Psychologe Stanley Milgram in den 1960er-Jahren herausfinden wollte, inwieweit normale Menschen bereit sind, autoritäre Anweisungen umzusetzen, auch wenn diese ethisch verwerflich sind, etwa anderen Personen Schmerz oder körperlichen Schaden zuzufügen. In Wirklichkeit waren die Elektroschocks ein Fake; die „Schüler“ gehörten zu Milgrams Team und spielten die Qualen nur vor, um zu sehen, wie weit die nichtsahnenden „Lehrer“ wohl gehen würden. Die Ergebnisse, zu denen Milgram mit diesem Experiment kam, waren erschreckend. Steckt in jedem noch so gütigen Menschen ein Unmensch, der bereit ist, die grausamsten Dinge zu begehen, wenn eine Autorität dies von ihm verlangt? Ist das eine mögliche Erklärung, warum die Nazis so viele „unbescholtene“ Mittäter rekrutieren konnten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Forschungen des Sozialpsychologen Milgram, der unter anderem an der Yale University in New Haven lehrte.
Das Milgram-Experiment und andere, nicht weniger eindrückliche Versuchsanordnungen spielen auch in Michael Almereydas Psychodrama „Experimenter“ eine entscheidende Rolle. Ruhig und konzentriert entwirft der Film eine Welt voller Wissenschaftler, die sich gewissenhaft in experimentellen Gedankenspielen ergehen, um das menschliche Wesen und seine Abgründe zu erkunden. Dabei bleibt die Kamera ganz dicht bei den Protagonisten, bricht kaum aus den Versuchsanordnungen aus, macht den Zuschauer sogar zum teilnehmenden Experten, der von Milgram direkt angesprochen und in den Reflexionsprozess eingebunden wird. Diesem dramaturgischen Kniff verdankt der Film seine intensive, verstörende Wirkung.
Mit nonchalantem und dennoch eigentümlich gefasstem Understatement verleiht Peter Sarsgaard der Hauptfigur eine zärtlich-diabolische Präsenz. Unterstützt wird er durch ein großartiges Ensemble, allen voran Winona Ryder als Milgrams Lebensgefährtin, sowie die konzentrierte Kamera, die die großartige Ausstattung in entsättigte Farben taucht.
„Experimenter“ ist ein kleines, unaufgeregtes Meisterwerk über ein höchst spannendes Kapitel der Geschichte der Verhaltensforschung. Der Film zeigt überdies auf, dass eine Gesellschaft, die auf blinde Flecken oder unangenehme Wahrheiten aufmerksam gemacht wird, ihren Unmut gerne gegen den Überbringer der Botschaft richtet. Unliebsame Einsichten brauchen ihre Zeit, bis sie von der Öffentlichkeit akzeptiert werden. Das mussten auch Milgram und sein Team schmerzlich erfahren.
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