Ein seit 40 Jahren in Barcelona im Exil lebender Literaturpreisträger reist zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde in seinen argentinischen Heimatort, wo er wie ein Pop-Star gefeiert wird, bis Neider die Stimmung vergiften und die Anfeindungen handgreiflich zu werden drohen. Der satirische Film lässt einen überheblichen Laureaten und einfältige Provinzler aufeinander prallen und rechnet dabei scharfsinnig mit dem Literaturmarkt und der Figur des linksliberalen Schriftstellers ab. Inszenatorisch entwickelt er sich vom Biopic über eine groteske Provinzkomödie zum handfesten Thriller, der die latente Gewaltbereitschaft und die Fremdenfeindlichkeit der lokalen Bevölkerung aufgreift.
- Ab 16.
Der Nobelpreisträger
Drama | Argentinien/Spanien 2016 | 118 Minuten
Regie: Mariano Cohn
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Filmdaten
- Originaltitel
- EL CIUDADANO ILUSTRE
- Produktionsland
- Argentinien/Spanien
- Produktionsjahr
- 2016
- Produktionsfirma
- Arco Libre/Televisión Abierta/Magma Cine/A Contracorriente Films
- Regie
- Mariano Cohn · Gastón Duprat
- Buch
- Andrés Duprat
- Kamera
- Mariano Cohn · Gastón Duprat
- Musik
- Toni M. Mir
- Schnitt
- Jerónimo Carranza
- Darsteller
- Oscar Martínez (Daniel Mantovani) · Dady Brieva (Antonio) · Andrea Frigerio (Irene) · Nora Navas (Nuria) · Manuel Vicente (Bürgermeister)
- Länge
- 118 Minuten
- Kinostart
- 02.11.2017
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Satirischer Film über einen überheblichen Laureaten, der auf einfältige Provinzler trifft
Diskussion
Ein Mann steht auf dem Gipfel seines Erfolges: Daniel Mantovani erhält den Literaturnobelpreis und rechnet in seiner Dankesrede in Stockholm mit der Mittelmäßigkeit ab: „Dieser Preis enthüllt, dass meine Werke den Geschmack und die Bedürfnisse der Jury, Spezialisten, Akademiker und Könige treffen. Ich bin offensichtlich der bequemste Künstler für sie, und diese Bequemlichkeit hat sehr wenig mit dem künstlerischen Schaffen zu tun.“ Tiefes Schweigen folgt diesen Worten, doch nach kurzem Erstarren applaudiert die Festversammlung frenetisch. Er hat es wieder einmal geschafft, von denen bejubelt zu werden, die er eigentlich gerade kritisiert hat.
Vier Jahre später ist er mehr denn ein Meister der Worte, immer im intellektuellen Widerstand und gerne bereit, die ignorante Mehrheit zu belehren. Mantovani lebt im spanischen Barcelona; Argentinien hat er bereits vor 40 Jahren verlassen. Doch alle seine Bücher spielen in seinem Heimatdorf Salas. Dabei sind seine Beziehungen zu seinen Wurzeln durchaus zwiespältig. Dann aber erhält er eine Einladung und nimmt sie zur Überraschung seiner Assistentin auch an. Salas will ihn zum Ehrenbürger ernennen. Doch schon die Fahrt vom Flughafen wird zum Desaster. Auf holprigen Feldwegen platzt der Reifen des PKWs, und Mantovani muss viele Seiten seiner Bücher opfern, um das Lagerfeuer in Gang zu bringen.
In Salas wird er jedoch wie ein Popstar gefeiert: Noch bevor ihm der Bürgermeister das Ehrenbürger-Emblem ans Jackett heftet, wird er mit der lokalen Schönheitskönigin auf einem Feuerwehrauto durch die Straßen eskortiert; er sitzt der Jury eines Malwettbewerbes vor und avanciert im Lokalfernsehen zum Sympathieträger für Erfrischungsgetränke. Junge Mädchen werfen sich ihm an den Hals und alte Freunde tauchen plötzlich auf, auch seine große Liebe Irene, die nach seiner Flucht alleine in dem Dorf zurückgeblieben ist.
Mantovani zwingt sich zur freundlichen Gelassenheit und geht auf jeden noch so absurden Programmvorschlag ein. Dann aber kippt die Stimmung. Einer der nichtprämierten Maler aus dem Wettbewerb, der Kulturmatador des Dorfes, hetzt die Bewohner gegen ihn auf. Der Nobelpreisträger habe seinen Ruhm in Europa erworben, indem er die Dörfler und ihre Lebensgeschichten in den Dreck gezogen und sich in seinen Büchern süffisant über die sozialen Hierarchien seiner Heimat ausgelassen habe. Die Anfeindungen werden größer, die Bewohner handgreiflich. „Geh nur nicht zum Jagdausflug, verlass das Dorf so schnell wie möglich“, rät ihm Irene. Sein Leben ist bedroht. Am Ende erweist sich die Fiktion wieder einmal als größer als die Realität.
„Der Nobelpreisträger“ ist eine süffisante Abrechnung mit dem literarischen Geschäft, mit der Vermarktung der Rebellion und der Figur eines engagierten Schriftstellers. Der Film parodiert aber auch den latenten Faschismus, die Gewaltbereitschaft und die Fremdenfeindlichkeit der Ortansässigen, schont aber auch den sozialen Paternalismus und die kulturpolitischen Phrasen der lokalen Machthaber nicht.
Die Regisseure Gastón Duprat und Mariano Cohn erzählen in fast dokumentarischem Duktus und spielen mit unterschiedlichen Graden dramatischer Intensität, vom fast klassischen Biopic über die groteske Provinzkomödie bis hin zum Thriller. Der äußerst unterhaltsame Film lebt aber insbesondere von der zurückgenommenen Darstellung des argentinischen Schauspielers Oscar Martínez sowie den zahlreichen brillanten Nebendarstellern.
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