Überall, wo heute Filme gemacht werden, spricht man von der „Zielgruppe“, für die der Film gedacht ist. Zielgruppen haben mit gemeinsamen Interessen, mit Alter und mit der Bereitschaft zu tun, Geld für einen Kinobesuch auszugeben. Früher produzierte Hollywood Filme mit möglichst breitem „audience appeal“, heute macht man Filme für Teenager, Halb-Erwachsene und Nie-Erwachsene. Filme für richtige Erwachsene oder gar für Menschen, die auf den größten Teil ihres Lebens zurückblicken, hält man für Zeit- und Geldverschwendung. Wie schön, wenn man wenigstens gelegentlich auf einen Film stößt, der sich nicht um Zielgruppen schert, sondern schlicht ein Kapitel aus dem Leben der sonst so vernachlässigten Erwachsenen als Vorlage wählt.
„Liebe geht seltsame Wege“ war in jüngster Zeit so ein Film, oder jetzt „Für die zweite Liebe ist es nie zu spät“. Er erzählt von Carol (Blythe Danner), einer verwitweten Lehrerin, die sich in einem Alter befindet, das die Gesellschaft gemeinhin als „jenseits von Gut und Böse“ erachtet. Man lernt Carol kennen, als sie dem Gnadentod ihres geliebten Hundes beiwohnen muss. Nun ist das Alleinsein für sie zur Einsamkeit geworden. Sie hat ein schönes Haus voller Erinnerungen an frühere Jahre, sie hat redselige Freundinnen, mit denen sie Karten spielt; aber sie hat niemanden, dem sie sich zuwenden kann oder der sich ihr zuwendet. Der erste Mann, der sieht, dass Carol trotz ihres fortgeschrittenen Alters nach wie vor eine begehrenswerte Frau ist, ist viel zu jung: der Pool Boy, der ihren Swimming Pool reinigt. Der zweite kommt dem Idealbild schon näher. Er wird von Sam Elliott gespielt, diesem virilen Mannsbild, das sonst zwischen Western-Serien und Marvel-Comics zu Hause ist. Mit ihm fängt Carols Leben für kurze Zeit noch einmal an.
„Für die zweite Liebe ist es nie zu spät“ erzählt keine neue Geschichte. Aber gerade die Tatsache, dass ihr Kernstück vielen Kinogängern so vertraut ist, macht ihn interessant. Der junge Filmemacher Brett Haley, dessen frühere Filme „The Ridge“ (2005) und „The New Year“ (2010) ziemlich unbeachtet blieben, besitzt nicht nur einen guten Blick bei der Auswahl der Darsteller, sondern schreibt auch Dialoge, die den Schauspielern Raum lassen, sie mit Persönlichkeit zu füllen. Von der Intimität der meist auf zwei Personen reduzierten Szenen geht eine Wärme aus, die wohl jeder Zuschauer spürt, gleich welchen Alters auch immer.