„Meier Müller Schmidt“, steht vielleicht am Klingelschild der Kreuzberger WG, in der Julian, Kasimir und Max hausen, aber das war’s dann auch mit biederbürgerlicher Patina. Die tischkickernden, Carrerabahn spielenden, auf Flaschenbier geeichten Mittzwanziger aus gutem Hause pflegen einen betont lässigen Lebensstil. „Julian Kasimir Max“ würde da schon besser passen. Aber eigentlich führt auch das in die Irre. Tatsächlich ist die ganze Jungs-WG kaum mehr als Staffage.
Max arbeitet im Marketing, mag schicke Klamotten, schnelle Autos, geht in seiner Freizeit gerne auf Demos, fühlt sich als Kommunist und kontert Kritik an seinem widersprüchlichen Lebensstil mit dem flotten Spruch, den er immer auf Lager hat: Wenn etwas Marketing nötig habe, dann ja wohl der Marxismus. Marketing + Marxismus: fertig ist der Reißbrett-Max.
Geschichtsstudent Kasimir schreibt seine Masterarbeit über „Romantik und Industrialisierung“, hat traurige Augen, entdeckt gerade, dass er schwul ist, kommt damit aber nicht so richtig klar, was man vor allem an seinen traurigen Augen erkennen kann. Außer mitleiderregend dreinzuschauen macht er nicht viel. Einmal packt er den Borderliner aus, als er beim Barfußjoggen auf die Kühlerhaube eines Autos springt und durch die Windschutzscheibe auf den verängstigten Fahrer einbrüllt. Da kann Jules Armana in der Kasimir-Rolle mal so richtig aus sich herausgehen. Spannend wird seine Figur aber eigentlich erst, als sie plötzlich von der Bildfläche verschwindet, und die anderen sich fragen, was mit Kasimir passiert ist.
Bleibt noch Julian, der Möchtegern-Drehbuchautor, den Sebastian Peterson bei seinem eigenen Drehbuchentwurf anfangs „einfach nur ‚Icke‘“ nannte, weil der ihm am nächsten sei. So richtig viel weiß er auch über Julian allerdings nicht zu berichten. Irgendein Regisseur ruft ständig an, fabuliert etwas von einem großen Projekt, verabredet sich stets aufs Neue mit Julian und versetzt ihn anschließend. Julian fährt gerne mit der Vespa durch Berlin. Die eigentliche Story aber ist seine Beziehung zur Möchtegern-Schauspielerin Eva, die er scheinbar zufällig kennenlernt, als sie ihm an der Wohnungstür Tütensuppen verkaufen will. Erst, als er sich hemmungslos in sie verliebt hat, gesteht sie ihm, dass sie seine Halbschwester ist. Dramaturgisch ließe sich das mit Shakespearescher Wucht verarbeiten, mit Humor oder auf seichte „Verbotene Liebe“-Telenovela-Weise, also ohne psychologischen Tiefgang, so wie Peterson das macht. Ernstnehmen kann man das nicht. Lustig ist es ebensowenig.
Auch die Schauspieler bewegen sich meist auf dem Level einer Fernsehserie. Was nicht heißen soll, dass sie schlecht sind. Die recht unbefangenen, authentischen Auftritte von Ferenc Graefe, Julia Kathinka Philippi, Jules Armana und Nicolás Artajo gehören vielmehr zum Besten, was der Film zu bieten hat. Das ist solides Handwerk. Anna Thalbach zeigt dem Quartett in einer tragikomischen Nebenrolle als betrogene Ehefrau allerdings, wie es noch besser geht. Dass es Peterson gelang, Thalbach und Stars wie den Show-Moderator Klaas Heufer-Umlauf oder den Rapper Mc Fitti für seine ohne Filmförderung entstandene Independent-Produktion zu kurzen Cameo-Auftritten zu überregen, zeugt von der Qualität seines Netzwerkes. Nach seinem Debüt mit der Brussig-Verfilmung „Helden wie wir“
(fd 33 931) verschwand der Max-Ophüls-Preisträger (1998 für den Kurzfilm „Fake!“) von der Kinobildfläche und drehte fast nur noch kurze Animationsfilme. Mit „Meier Müller Schmidt“ versucht er nach über 15 Jahren ein Comeback.
Die populären Namen helfen ihm dabei aber nicht weiter. Sie lassen nur erahnen, dass Peterson höher hinauswollte. Viel höher. Mehr als an allem anderen scheitert die romantische Berlin-Komödie gerade an diesen überbordenden Ambitionen. Anstatt sich mit leichter Unterhaltung zufrieden zu geben, müht sich Peterson, den Film inszenatorisch auf ein filmkünstlerisch anderes Level zu hieven. Dafür packt er fast alles aus, was der formale Experimentierkasten des Kinos so zu bieten hat: Schwarz-weiß-Aufnahmen, Unschärfen, schräge Kamerawinkel, Zeitlupen, Zeitraffer, Textinserts, Farbfilter, Trickblenden, direkte Kameraansprachen, Jump Cuts und manches mehr. Im Prinzip ja nichts Verwerfliches. Es tut dem Kino gut, wenn es aus seiner stilistischen Trägheit wachgerüttelt und daran erinnert wird, dass Filmtechnik auch Ausdrucksmittel sein kann. Bei Peterson erinnert das konzeptlose Herumgefuchtel mit Reißzooms und Soundeffekten allerdings eher an „Bauer sucht Frau“ als an Godard. Sich selbst tut der Regisseur damit keinen Gefallen. An Hochschule könnte sein Werk bald als Beispiel für einen überinszenierten Film Karriere machen.