Drama | Belgien/Frankreich 2015 | 127 Minuten

Regie: Felix Van Groeningen

Ein Gebrauchtwagenhändler kommt im Pub seines jüngeren Bruders in Gent unter, den er nach und nach in einen „hippen“ Club mit erlesener Rock-Musik verwandelt. Beide werden von der Woge des Erfolgs erfasst, doch nur der Jüngere spürt, dass "Dauer-Party" kein nachhaltiges Lebenskonzept darstellt. Das Drama zweier ungleicher Brüder beschreibt Höhenflug und tiefen Fall und kreist um die Spannung zwischen Enthemmung und Verantwortung. Die suggestive Inszenierung entfaltet einen mitunter hypnotischen Bilderrausch und verbindet ihn mit einem ausgefallenen Soundtrack. Zwar mäandert die Geschichte etwas wild, bindet aber elegant aktuelle Themen wie Gentrifizierung ein. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BELGICA
Produktionsland
Belgien/Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Menuet Prod./Pyramide Prod./Topkapi Films
Regie
Felix Van Groeningen
Buch
Arne Sierens · Felix Van Groeningen
Kamera
Ruben Impens
Musik
Soulwax
Schnitt
Nico Leunen
Darsteller
Stef Aerts (Jo) · Tom Vermeir (Frank) · Hélène Devos (Marieke) · Charlotte Vandermeersch (Isabelle) · Boris Van Severen (Tim Coppens)
Länge
127 Minuten
Kinostart
23.06.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit einer im Film nicht verwendeten Szene (1 Min.).

Verleih DVD
Pandora (16:9, 2.35:1, DD5.1 fläm./dt.)
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Rauschhaftes Drama um zwei ungleiche Brüder

Diskussion
Ein bisschen Rock’n’Roll ist alles, was Frank will. Der verkrachte Gebrauchtwagenhändler und Familienvater geht auf das zu, was man Lebensmitte nennt. Wenn er an einem Regentag zwischen den Käfigen des Hundezwingers, den seine Freundin betreibt, entlangschlendert, wirkt er selbst wie ein eingesperrter Underdog. Soll es das also gewesen sein? Alles nimmt seinen Lauf, als er seinem jüngeren Bruder Jo anbietet, hinter dem Tresen auszuhelfen. Im Café Belgica treffen sich die Menschen aus dem Viertel – egal wie alt, hip oder arm sie sind. Ein Pub im besten Sinne, der aber nicht den besten Umsatz macht. Frank erkennt das Potenzial des Ladens: Man könnte DJs einladen, Konzerte veranstalten, den leerstehenden Raum nebenan kaufen und einen Dancefloor einrichten. Es ist ein Neuanfang für die beiden Brüder, die sich fremd geworden sind. Ihr Traum ist ein Ort, eine „Scheiß Arche Noah“, wo jeder willkommen ist. Das Konzept geht auf; das Café Belgica wandelt sich schnell zum angesagtesten Club in Gent. Nirgends wummern die Bässe tiefer, tanzen die Leute ausgelassener, gibt es mehr Alkohol, Drogen und Sex. Das Leben ist ein einziger Rausch, nicht zuletzt für Frank und Jo. Doch irgendwann dämmert es und spätestens dann dröhnt der Schädel. Dass Brüder oft voller Gegensätze sind, ist nichts Neues. Weder im Leben noch im Kino. Frank hat einen zerzausten Kopf voller Ideen und einen Bauch voller Energie. Er reißt alle mit, auch seinen Bruder Jo, der bei allen Exzessen nie die Bodenhaftung verliert. Der Jüngere wahrt den Überblick, obwohl er nur ein Auge hat. Jo ist derjenige, der abends die Geldscheine zählt und erkennt, dass man mit mehr Eis und weniger Gin im Glas mehr Profit machen kann. Und der im Gegensatz zu Frank auch bald realisiert, dass Dauerparty kein nachhaltiges Lebenskonzept ist. Eine ähnliche Brüdergeschichte hat auch Fatih Akin in „Soul Kitchen“ (fd 39 644) erzählt. Im Vergleich dazu ist in „Café Belgica“ alles ein bisschen schneller und lauter, am Ende aber auch weniger versöhnlich. Regisseur Felix van Groeningen überträgt die berauschende, euphorische Stimmung im Nachtclub in den Kinosaal. Man möchte sich mitten hineinstürzen in die tanzende, wogende Masse oder dabei sein, wenn sich die Band „The Shitz“ auf der Bühne verausgabt. Die Bilder wirken direkt, der Blick auf das bunte Treiben manchmal geradezu dokumentarisch. Ein Bilderrausch, der aber auch immer wieder von ruhigen Sequenzen unterbrochen wird, Weihnachten im Kreis der Familie, ein Essen bei der Mutter. Reales Vorbild für das Café Belgica ist die Live-Musikkneipe „Charlatan“ in der Genter Altstadt, die van Groeningens Vater einige Jahre lang führte und in der der Regisseur als Jugendlicher arbeitete, was offenbar eine intensive Erfahrung gewesen sein muss, wenn man den Clubszenen im Film glauben möchte. Wie in „The Broken Circle“ (fd 41 669) kommt auch in „Café Belgica“ der Musik eine besondere dramaturgische Rolle zu. Für den Soundtrack hat der Regisseur mit der belgischen Formation Soulwax zusammengearbeitet, die sich nicht nur die musikalischen Gäste des Nachtclubs ausgedacht, sondern auch alle Songs geschrieben und produziert hat. Die Offenheit der Musikstile – von Punk über Techno bis zur Weltmusik – entspricht dabei dem multikulturellen Publikum des Clubs. Doch mit der Kommerzialisierung des Ladens wird auch die Musik immer angepasster, bis schließlich gegen Filmende eine Solosängerin eine innige Ballade anstimmt. „Cafe Belgica“ ist damit nicht nur die Geschichte zweier unterschiedlicher Brüder und ihres Nachtclubs und nicht nur eine Geschichte von Höhenflug und tiefem Fall. Es geht um das Mehr: mehr Spaß, mehr Drogen, mehr Sex und eben auch um mehr Geld. Anfangs steht noch das kollektive Ideal eines Orts im Vordergrund, wo ein multikulturelles Miteinander möglich ist. Doch der kommerzielle Erfolg und seine Begleiterscheinungen verraten bald diese Werte. Aus der „Arche Noah“ wird eine Luxusjacht mit VIP-Lounge, knallharten Türstehern und Überwachungskameras. Der bärtige Alte aus dem Kiez darf hier kein Bier mehr trinken und kann es sich wahrscheinlich auch gar nicht mehr leisten. Er muss deshalb genauso draußen bleiben wie die jungen Araber, die nicht zur anvisierten Klientel passen. Damit erzählt „Cafe Belgica“ nebenbei auch von aktuellen Entwicklungen, von Gentrifizierung und Verdrängung. Die Party geht weiter, aber es tanzen längst nicht mehr alle mit.
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