Jeder will etwas, und das mit doppelten Ausrufungszeichen. „Everybody Wants Some!!“ ist ein üppiger Film: Von der Musik – das Eingangsstück „My Sharona“ von The Knack, Hits von Blondie etc. – bis zu den testosterongeladenen Boys, die den Film wie ein gut trainiertes Musical-Ensemble bevölkern, ist er bunt, quicklebendig, interaktiv. Richard Linklater erzählt vom langen Wochenende einer Baseball-Mannschaft im August 1980 an einer Universität im südöstlichen Texas, kurz vor Semesterbeginn. Es ist die Zeit der Schnauzbärte, knappen Shorts, über der Brust spannenden T-Shirts und der Wasserbetten – es ist Disco-Zeit, auch Reagan-Zeit, doch davon bleibt der College-Mikrokosmos gänzlich unberührt. Dass Linklater die Erzählung wie einen Countdown aufbaut – es wird bis zur ersten Schulstunde heruntergezählt –, ist ein dramaturgischer Witz: „Everybody Wants Some!!“, thematisch eng mit Linklaters Kultfilm „Dazed and Confused“
(fd 31 152) verwandt, könnte den Regeln des Suspense und der Plotentwicklung kaum mehr zuwiderlaufen. Wenn am Ende der durchnächtigte Baseball-Spieler Jake im Klassenzimmer einschläft, ist nicht allzu viel passiert außer einer großen Welle an Homosozialität: Kameradschaftsrituale und kleine Rivalitäten, Partys, Alkohol, Mädchenbekanntschaften. „Coming of Age“ ohne das Werden, als reine Gegenwart.
Mit Jake wird der Betrachter an die Hand genommen und durch den Film geführt – hinein in die Gruppe und das etwas heruntergekommene Wohnheim. Gleich am Anfang hat der Baseball-Trainer als praktisch einzig erwachsene Figur einen kurzen Auftritt, „no alcohol, no girls upstairs“, ermahnt er. Doch natürlich gibt es Alkohol in rauen Mengen, und auch die Zimmer im oberen Stockwerk sind so rasch mit Mädchen belegt, dass Jake am ersten Abend aus Platzgründen seinen Plan aufgeben muss, Sex zu haben.
„What position do you play?“ ist eine wiederkehrende Frage im Film, die nicht nur im Hinblick auf die Funktion beim Baseball gemeint ist. Denn es geht für Jake, der als Freshman in die Gruppe kommt, zunächst darum, sich eine Position im sozialen Gefüge zu erarbeiten. So reiht sich ein tribalistisches Ritual ans nächste, entscheidet über Ausschluss und Zugehörigkeit – von Tischtennis über Matratzenrutschen bis zu Sauf- und Kiff-Rekorden scheint jede Aktivität kompetitiv zu sein. Aber auch im buchstäblichen Sinn ist das „positioning“ für den Film essenziell. Nie sind die Figuren vereinzelt zu sehen, bilden vielmehr Cluster, positionieren sich im Raum oder formieren sich beim Gehen, gruppieren sich wieder neu – der Gruppenverband ist in einer kontinuierlich fließenden Bewegung sich verändernder Körperfigurationen. Dabei gerät der Übertritt in ein anderes Milieu oder in eine andere „Szene“ zu einer regelrechten Kollision von Codes, Looks und habituellen Formen. Als Jake sich in Beverly verliebt, in eine Studentin der Abteilung Schauspiel, landen die als einfältig geltenden Baseballer einmal wie Exoten auf einer kirmeshaften Theaterparty, auch ein kurzer Ausflug in die Punkszene gerät zur Fremdheitserfahrung.
Nach „Boyhood“
(fd 42 403) blickt Linklater mit „Everybody Wants Some!!“ erneut in seine Jugend zurück. Der Tonfall ist, trotz dickem Retro-Anstrich, im Vergleich dazu weitaus distanzierter. Linklater porträtiert das Figurenpersonal zwar durchaus liebevoll, stets aber aus der Perspektive des von außen schauenden Beobachters. Der aufgeplusterte McReynolds, der kiffstarke Willoughby, der Aufreißer Nesbit: Letztlich sind das alles eher modellhafte Typen als Identifikationsfiguren. Selbst Jake, Linklaters Stellvertreterfigur, bleibt eigentümlich abstrakt. Letztendlich steht und fällt der Film mit der (sicherlich auch kulturell bedingten) Einstellung zu dem unbekümmerten Treiben der Jungs: Was für die einen nach dem prallen Leben aussieht, mag für die anderen einfach nur furchtbar öde sein.