Drama | Irland/Großbritannien/USA 2016 | 106 Minuten

Regie: John Carney

Im wirtschaftlich kriselnden Irland des Jahres 1985 muss ein Jugendlicher aus Kostengründen die Schule wechseln und lernt auf seinem neuen Schulweg ein Mädchen kennen. Um dieses zu beeindrucken, gründet er mit musikalisch talentierten Mitschülern eine Synthie-Pop-Band. Eine von der Liebe zur Musik der 1980er-Jahre lebende Coming-of-Age-Komödie, deren höchst originell inszenierte Song-Szenen Sound und Habitus damaliger Bands kongenial nachempfinden. In der Konzentration auf das Glück der Hauptfigur vernachlässigt der Film allerdings die Zeichnung der übrigen Charaktere. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SING STREET
Produktionsland
Irland/Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Cosmo Films/Distressed Films/FilmNation Ent./FilmWave/Likely Story/PalmStar Media
Regie
John Carney
Buch
John Carney
Kamera
Yaron Orbach
Musik
Gary Clark
Schnitt
Andrew Marcus · Julian Ulrichs
Darsteller
Ferdia Walsh-Peelo (Conor) · Lucy Boynton (Raphina) · Jack Reynor (Brendan) · Maria Doyle Kennedy (Penny) · Aidan Gillen (Robert)
Länge
106 Minuten
Kinostart
26.05.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Musikfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
StudioCanal (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
StudioCanal (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Von der Liebe zur Musik der 1980er lebende Coming-of-Age-Komödie von John Carney

Diskussion
Im Irland des Jahres 1985 ist eine sorglose Kindheit nur schwer vorstellbar. Während Rezession, Arbeitslosigkeit und Massenauswanderung das Land fest im Griff haben, erlebt der 14-jährige Conor aus Dublin die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf seine nur scheinbar stabile Familie. Nun streiten sich seine Eltern immer öfter und wüster, seinen Geschwistern und ihm bleibt nur der Rückzug in ihre Zimmer. Dort schrammelt Conor auf seiner Gitarre und bastelt sich aus den elterlichen Beschimpfungen einen provisorischen Songtext zusammen. Das Bedürfnis nach Schutzzonen wird noch größer, als der Junge von seiner teuren Jesuiten-Privatschule auf die staatliche Lehranstalt Synge Street Christian Brothers School kommt. Den Neuling schikanieren besonders der strenge Direktor und der Schulrowdy, sodass Conor anderswo nach Erfüllung suchen muss. So fasst er sich ein Herz und spricht ein schönes, etwas älteres Mädchen an, das tagtäglich vor einem Haus gegenüber der Schule wartet. Die verdutzte Raphina lässt sich auf ein Gespräch ein, verrät ihren Traum vom Model-Beruf, und Conor ergreift die Chance: Als er geht, hat er Raphinas Zusage, im nächsten Musikvideo seiner Band mitzuwirken. Verschwiegen hat Conor nur, dass er diese Band erst noch zusammenstellen muss. Glaubt man den Aussagen berühmter Musiker, sind etliche Gruppen aus ähnlichen Motiven gegründet worden, wie es John Carney in „Sing Street“ darstellt. Auch der irische Regisseur wuchs in den 1980er-Jahren in Dublin auf und spielte in einer Rockband, was der Gefühlswelt und dem Verhalten der Hauptfigur biografische Wahrhaftigkeit verleiht. Die pubertäre Chuzpe, mit der Conor sich musikalische Mitstreiter sucht, um bei seiner Angehimmelten zu landen, wirkt glaubwürdig und durchaus sympathisch: Außenseiter mit musikalischen Talenten gibt es an seiner Schule offenbar reichlich, und in einer Reihe sehr vergnüglicher Szenen gelingt es Conor, fünf von ihnen für seine Band zu gewinnen. Die Casting-Sequenzen sind eine offensichtliche Hommage an Alan Parkers Irland-Musikfilm-Klassiker „Die Commitments“ (fd 29 158), funktionieren aber auch in dieser Variante prächtig. Durch die jugendliche Experimentierlust der Gruppe, die ihren musikalischen Stil erst allmählich finden muss, mal diese, mal jene bekannte Achtziger-Band nachahmt und anfangs auch beim gemeinsamen Spielen und Videodrehen noch unbeholfen agiert, entsteht eine reizvolle zusätzliche Ebene. Der Vergleich mit dem Vorbild zeigt aber auch, was Carney weniger gelungen ist: Während „Die Commitments“ ein Film über eine Band war und alle Mitglieder mit gleicher Sorgfalt zum Leben erweckt wurden, stellt „Sing Street“ letztlich nur die Selbstverwirklichung von Conor als bedeutsam dar. Seine Bandkollegen verkommen nach ihrer Einführung zur bloßen Staffage und dienen nur dazu, die Hauptfigur gut aussehen und klingen zu lassen. Anders als bei Carneys früheren Musikerfilmen „Once“ (fd 38 541) und „Can a Song Save Your Life?“ (fd 42 538) fällt es so auf Dauer schwer, mit dem Protagonisten zu fiebern. Die Frage, ob Conor am Ende sein Mädchen bekommt, gewinnt nie die beabsichtigte Dringlichkeit, auch weil die Nachwuchsschauspieler beim Musizieren wesentlich überzeugender sind als beim Darstellen jugendlichen Flirtens. Ganz in seinem Element ist der Film dafür in Carneys einmal mehr höchst origineller Inszenierung der Musik: Die an den Synthiepop der 1980er-Jahre angelehnten Songs sind Vorbildern wie Duran Duran, The Cure oder Joe Jackson wunderbar nachempfunden, die jungen Musiker spielen mit sichtlicher Begeisterung und eignen sich das oft extravagante Auftreten der Popstars jener Zeit an. Bis hin zum Knistern des Verstärkers und dem Kratzen der Platten ist die Liebe des Regisseurs zum Musikerleben seiner Jugend spürbar. Zudem visualisiert er mit viel Einfallsreichtum den Wunsch der Figuren nach einer strahlenden Alternative zu ihrer tristen Alltagswelt, am mitreißendsten in einer Fantasie-Sequenz, in der sich ein schnöder Turnhallen-Schulball in ein feuriges Tanzspektakel nach US-(Film-)Vorbildern verwandelt. Letztlich ist „Sing Street“ somit weniger ein Film über Musiker als über die Kraft der Musik. Und darüber, wie sich mit ihrer Hilfe die graue Realität überwinden lässt.
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