Ein unheilbar an Leukämie erkranktes zwölfjähriges Mädchen träumt davon, das sündhaft teure Kleid einer japanischen Anime-Figur zu tragen. Doch wie soll sein arbeitsloser Vater dafür das Geld beschaffen? Ein Ausweg tut sich auf, als er eine manisch-depressive Frau vor dem Selbstmord bewahrt, die ihrerseits auf untergründige Weise mit einem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Mathematiklehrer verbunden ist. Die kunstvoll verschachtelte Tragödie handelt von einer Gesellschaft, die auf fast groteske Weise ihre Illusionen verloren hat. Der in eleganten Nachtbildern fotografierte und insbesondere von seinen drei Hauptfiguren getragene Film balanciert zwischen Depression und Galgenhumor, ohne darüber in Zynismus abzugleiten.
- Ab 16.
Magical Girl
Drama | Spanien/Frankreich 2014 | 127 Minuten
Regie: Carlos Vermut
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- MAGICAL GIRL
- Produktionsland
- Spanien/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2014
- Produktionsfirma
- Aquí y Allí Films/TVE /Canal+ España/Sabre Prod./Lovemonk
- Regie
- Carlos Vermut
- Buch
- Carlos Vermut
- Kamera
- Santiago Racaj
- Schnitt
- Emma Tusell
- Darsteller
- Luis Bermejo (Luis) · José Sacristán (Damián) · Bárbara Lennie (Bárbara) · Israel Elejalde (Alfredo) · Lucía Pollán (Alicia)
- Länge
- 127 Minuten
- Kinostart
- 17.03.2016
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Thriller
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Kunstvoll verschachtelter spanischer Film zwischen Depression und Galgenhumor
Diskussion
Ein Mädchen träumt von einem teuren Kleid. Doch wer weiß schon, dass das schöne Kleid ohne den ebenso teuren Zauberstab wertlos ist? Alicia ist zwölf Jahre alt und leidet an Leukämie. Ihr Vater Luis ist Schullehrer und hat früher Literatur unterrichtet. Doch seit einem halben Jahr hat er keine Arbeit mehr. Seine Stelle wurde gestrichen, im Zuge der Kürzungen im öffentlichen Dienst. Luis weiß, dass Alicia drei große Wünsche hat: Sie möchte sich in jede mögliche Gestalt verwandeln können, sie möchte das Kleid ihrer Heldin Yukiko aus der japanischen Amine-Serie „Magical Girl“ tragen und sie möchte 13 Jahre alt werden. Von diesen drei Wünschen lässt sich allenfalls der zweite erfüllen, denn Alicia wird ihren 13. Geburtstag nicht mehr erleben. Doch wie soll Luis 7.000 Euro auftreiben, die das teure Designer-Kleid kostet?
Seine Bücher hat er zum Kilopreis von fünf Euro verkauft; reiche Freunde besitzt er nicht. Also macht er sich auf die aussichtslose Suche nach Geld. Als er schon im Begriff ist, die Schaufensterscheibe eines Juweliergeschäftes zu zertrümmern, kreuzt sein Lebensweg den von Bárbara. Die attraktive, aber auch depressiv-psychotische Frau hat sich gerade umzubringen versucht, weil sie fest davon überzeugt ist, dass sich ihr Ehemann, der wohlhabende Psychiater Alfredo, von ihr getrennt habe. Sie nimmt Luis mit in ihre Wohnung und in ihr Bett. Am nächsten Tag aber sitzt Alfredo wieder am Frühstückstisch. Das nutzt Luis auf seine Weise aus. Jetzt soll Bárbara ganz schnell 7000 Euro auftreiben, wenn sie ihre Ehe nicht gefährden will. Gleichzeitig wird der ehemalige Mathematiklehrer Damían aus dem Gefängnis entlassen, der nichts so sehr fürchtet wie auf Bárbara zu treffen.
„Magical Girl“ ist eine Reaktion auf die Krise, die die spanische Gesellschaft seit Jahren erfasst hat. Zugleich auch ist er weit mehr als ein Sozialdrama über die Folgen und die Opfer der Wirtschafts- und Finanzkrise. Der 36-jährige Comiczeichner und Filmemacher Carlos Vermut erzählt in drei Episoden von den rätselhaft-verschlungenen Schicksalen der gebrochenen Figuren, die auf fast groteske Weise illusionslos sind. Dabei entfaltet sich insbesondere in den nächtlichen Sequenzen eine beklemmende, vielschichtige Wirklichkeit, in der sich die Charaktere mit schlafwandlerischer Entschlossenheit bewegen. In ihrer Aussichtslosigkeit vermitteln die Figuren mitunter etwas fast Heiteres, eine Situationskomik, die an Galgenhumor grenzt, aber niemals in Zynismus abgleitet.
Diese Balance ist besonders ein Verdienst der Schauspieler. José Sacristán wird als alternder Mathematiklehrer ungewollt mit seiner Vergangenheit konfrontiert, Bárbara Lennie setzt sich größten Schmerzen aus, um ihre Ehe, eine Art Käfig aus autoritärer Fürsorge, zu retten, Luis Bermejo wird mit stoischem Gesicht zum Kriminellen, um irgendetwas für seine Tochter zu unternehmen, und Lucía Pollán schlägt mit ebenso liebevollen wie abwesenden Augen in Bann.
„Magical Girl“ ist eine vielschichtige menschliche Tragödie um drei ineinander verknotete Schicksalsstränge, eine verschachtelte Tragödie über eine Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr begreift, weil ihr Lebensmut und Energie abhanden gekommen sind – und deren Hybris die Protagonisten einholt, die ihr Leben aufgrund von Missverständnissen und Nichtigkeiten aufs Spiel setzen.
Kommentar verfassen