Erschütternde Lebensbeichte der französischen Künstlerin Florence Burnier-Bauer.
Zu Beginn setzt sich die Künstlerin Florence Burnier-Bauer in den alten Ledersessel und will beginnen. Doch da fällt ihr etwas ein: Sie steht auf und holt eine Puppe mit rot verschmiertem Gesicht, um, wie sie sagt, dem Film etwas Schockierendes mitzugeben.
Dabei bräuchte es diese Puppe gar nicht, weil die Ausführungen, die Burnier-Bauer in den zwei Filmstunden weitgehend ungeschnitten zu Protokoll gibt, schockierend genug sind. Durch die Anwesenheit der Puppe wird allerdings das Inszenierte des Gesprächs unterstrichen, was dem Film zusätzlich etwas Beklemmendes verleiht, denn Burnier-Bauer berichtet von drastischen Erfahrungen zwischen einem Leben in einer geschlossenen Anstalt, frühem Missbrauch durch Großvater und Vater, das Leben mit drei Kindern auf der Straße, Obdachlosigkeit, Diebstahl, Drogen und Prostitution und ständiger Flucht vor Polizei und staatlichen Ämtern, ehe sie Anfang der 1980er-Jahre in der „reichianisch inspirierten“ Friedrichshof-Kommune von Otto Mühl landete, wo ihre Geschichte von Missbrauch und Gewalt weiter ging: „,Nein‘ sagen durfte man nicht!“
"Satan Mozart Moratorium"
Der Film besteht aus zwei langen Einstellungen, die durch eine Zwischensequenz überbrückt werden. Der Filmemacher Paul Poet bleibt im Bild unsichtbar, liefert aus dem Off aber immer wieder kurze Impulse, damit die Erzählung von Burnier-Bauer weitergeht. Diese Impulse verraten auch, dass das, was hier ausgebreitet wird, für den Filmemacher nicht neu ist. Das Interview entstand im Vorfeld einer Theaterarbeit von Poet mit dem Titel „Satan Mozart Moratorium“ für das Donaufestival Krems und erscheint so als Dokument einer Recherche, die auch den „linken“ Filmemacher Poet betrifft, der nach eigener Aussage in jungen Punk-Jahren von der Kunst Otto Mühls stark beeinflusst war: „Mich interessiert der Mensch als ambivalentes Wesen, so wie es für mich als Linken nur die Herangehensweise geben kann, Menschen in ihrer Komplexität zu begreifen, statt Propaganda zu zimmern. Florence bezeichnet sich selbst auch als Täterin. Nicht, weil sie missbraucht hätte, sondern weil sie ihre Kinder im Stich gelassen und nicht geschützt hat.“
Gleichzeitig erscheinen aber Teile des Gesprächs, das eigentlich eine Mischung aus Selbstdarstellung und Selbstanalyse ist, ihrerseits auch inszeniert oder zumindest durch Vorgespräche präpariert. So wirft der Film auch aufgrund des Settings und einiger Zoom-Bewegungen der Kamera Fragen auf: Wie steht es um das professionelle wie psychologische Verhältnis zwischen Filmemacher und Befragter? Wann wird aus insistierender Wahrheitssuche Voyeurismus? Welche Haltung soll der Zuschauer diesem Gespräch gegenüber einnehmen? Und vor allem: Soll man das, was hier so drastisch wie (scheinbar) routiniert erzählt wird, für bare Münze nehmen, oder folgen diese Aussagen auch einer Dramaturgie der Provokation?
Ein Theatermonolog
In einem Interview hat Poet den Film ins Umfeld des „cinéma verité“ gestellt. Der Film versuche nicht zu werten, nicht zu interpretieren, er wähle keine Musik zur dramaturgischen Verstärkung: „In Realität lebt der Film unter der Oberfläche aus einer komplexen Kombination eines gemeinsam mit Florence entwickelten Theatermonologs mit einem journalistischen Gespräch und einem filmischen Interview (...), aus Mitteln der kognitiven Psychologie und Psychotherapie, spontaner Lebensbeichte, aus abgesprochener Eigeninszenierung und Selbstdarstellung.“
Diese komplexe, für den Zuschauer nicht immer klar zu durchschauende Anlage gilt es im Hinterkopf zu behalten, während man einem Gespräch folgt, das im Kino klar von einem wesentlichen Vorteil profitiert: man kann nicht einfach wegschalten.