„Ich werde niemals zulassen, dass unsere Familie bedroht wird“, sagt der Vater eindringlich zu seinem Sohn Alex. Der ältere Herr mit den klaren ernsten Augen sieht gütig aus, sympathisch und ausgeglichen. Wer würde ihm kein Vertrauen schenken? Der weißhaarige Patriarch Arquímedes Puccio lebt mit seiner Frau und fünf Kindern in San Isidro, einem wohlhabenden Viertel von Buenos Aires. Eine glückliche argentinische Mittelschichtsfamilie. Doch jetzt muss er seinem Sohn unangenehme Wahrheiten mitteilen und bittet um sein Vertrauen. Man habe jemanden „beseitigen“ müssen. Alejandro ist verstört, möchte aufbegehren, aber er steckt schon viel zu tief in den dunklen Geschäften des Vaters mit drinnen. Alejandro ist beliebt, er spielt in der Mannschaft des bekannten Rugby-Clubs Atlético San Isidro (CASI), hat viele Freunde und Zugang zu den wohlhabendsten Familien des Landes.
„El Clan“, der jüngste Film des argentinischen Regisseurs Pablo Trapero, führt zurück in die Zeit unmittelbar nach dem Ende der Militärdiktatur und dem Übergang zur Demokratie. 1976 hatten sich die Generäle an die Macht geputscht. 30 000 Menschen fielen dem Staatsterror zum Opfer. Erst 1983, nach dem verlorenen Falklandkrieg, gaben sie die Macht ab, nicht ohne sich vorher weitgehende Straflosigkeit zuzusichern.
„El Clan“ beruht auf einem authentischen Fall und beginnt in dem Moment, als die Militärs und ihre Lakaien die Zentren der Macht räumen. Er basiert auf dem Fall der Familie Puccio, der 1985 die Schlagzeilen beherrschte. Die Puccios wurden verhaftet, als Trapero gerade 13 Jahre alt war; die Geschichte hat ihn in ihrer Doppelbödigkeit tief beeindruckt, insbesondere, dass die Opfer in einem Kellerraum des Familienhauses, mitten in einem normalen Wohngebiet, festgehalten wurden.
Der Vater betreibt ein kleines Geschäft. Oft sieht man ihn, wie er mit freundlich-nachdenklichem Gesicht den Bürgersteig fegt. Mit der Diktatur hatte er gute Geschäfte gemacht. Als Mitglied einer rechtsradikalen Todesschwadron erledigte er die schmutzige Arbeit für das Regime: Entführungen, Folter und Ermordung von politischen Gegnern. Nach dem politischen Ende seiner Auftraggeber arbeitet er einfach weiter: Entführung, Erpressung, Mord, auf eigene Rechnung. Die Opfer kommen jetzt aus der Ober- oder Mittelschicht, aus dem eigenen Bekanntenkreis, oder aus dem Freundeskreis seines Sohnes Alejandro.
Trapero arbeitet mit einem überzeugenden Schauspielerensemble, hat die Hauptrolle des Familienchefs aber mit Guillermo Francella gegen den Strich besetzt, einem beliebten argentinischen Komödien-Star, der hier zum ersten Mal einen dunklen Charakter spielt.
Die Doppelbödigkeit der Geschichte wird auch in der Bildgestaltung meisterhaft umgesetzt, in der behaglichen familiären Atmosphäre, und im harten Kontrast dazu, unterm gleichen Dach, die brutalen Verbrechen in den dunklen Kellerräumen. Eine perfekte, harmlose Fassade und dahinter die verbrecherische Wirklichkeit.
Eine wichtige Rolle spielt die Musik, die zeitgenössische Popmusik, aber auch populäre Melodien aus den 1960er-Jahren mit der brutalen Gewaltanwendung kontrastiert. Trapero setzt die Musik als Element der Kontextbildung ein, als Retro-Nostalgie, aber auch als kontrapunktisches, fast verfremdendes Element.
Der Regisseur, der in seinem Debüt „Mundo grúa“ (1999) noch ganz dem trockenen Realismus des „nuevo cine argentino“ aus den schweren Wirtschaftskrisenjahren huldigte, hat mit „El Clan“ den bislang größten Blockbuster an den argentinischen Kinokassen geschaffen. Der Film ist eine gelungene Mischung unterschiedlichster Genre-Elemente: spannender Thriller, Familienfilm, Vater-Sohn-Tragödie und ein gestochen scharfes Porträt einer korrupt-verfaulten Gesellschaft zwischen Diktatur und Demokratie. Ein Porträt, dass in unterschiedlichen Facetten den wirtschaftlichen und moralischen Niedergang einer Gesellschaftsschicht, nicht nur am Rio de la Plata, abbildet.