Im Grunde erzählt dieser Film von der ganz normalen Hölle eines langen Ehelebens. Allerdings potenziert um das Hundertfache zweier Vampirleben, die bekanntlich nie enden. Und therapieren soll das Ganze niemand Geringeres als Sigmund Freud höchstpersönlich. Was für eine grandiose Ausgangslage für eine tiefschwarze Komödie! Der österreichische Autor und Regisseur David Ruehm enttäuscht die eingangs geweckten Erwartungen keineswegs: „Therapie für einen Vampir“ ist klug und komisch, glänzt mit geschliffenem Wortwitz und neben durchweg tollen Schauspielleistungen vor allem mit einer herrlich selbstironischen Performance von Tobias Moretti.
Ruehm ist freilich nicht der Erste, der Psychoanalyse und Vampirismus zusammenbringt. Der Literaturwissenschaftler Laurence A. Rickels nennt beide sogar die „miteinander konkurrierenden Wissenschaften des Untoten“. Auch ist Ruehm bei weitem nicht der Erste, der sich der Welt der Vampire auf komödiantischen Pfaden nähert. Doch die Kombination aus all dem ist wunderbar originell und so stimmig, dass man sich wundert, dass noch keiner vor ihm auf diese Idee gekommen ist.
Die Handlung spielt 1932 in Wien: Ein neuer Patient sucht Freuds Praxis auf, Graf Geza von Közsnöm. Dass er nur abends Zeit hat, wundert den Psychoanalytiker nicht weiter. Der Graf ist seines Daseins müde, vor allem aber ist er furchtbar genervt von seiner Frau. Die verlangt jede Nacht, dass er ihr Äußeres beschreibe (Vampire haben schließlich kein Spiegelbild). Wie Freud nun versucht, den Eheproblemen des Grafen auf sachlich-wissenschaftliche Weise beizukommen und bei der Gräfin eine Scopophobie konstatiert, erzeugt in der Diskrepanz zur wüsten vampirischen Parallelwelt eine wunderbar absurde Komik. Richtig Fahrt nimmt die Handlung auf, als der Graf bei Freud das Porträt einer jungen Frau entdeckt: Es zeigt Lucy, die Freundin des jungen Malers Viktor, der für den Psychoanalytiker regelmäßig Traumillustrationen erstellt. Der Graf erkennt in ihr eine Wiedergängerin seiner großen Liebe Nadila, die Jahrhunderte zuvor Vampirjägern zum Opfer fiel, und setzt alles daran, Lucy für sich zu gewinnen. Da die selbstbewusste Lucy im ruppig-leidenschaftlichen Dauerclinch mit ihrem etwas konservativen Geliebten liegt, kommt ihr der Graf gerade recht. Der wiederum gibt ein Porträt seiner Frau bei Viktor in Auftrag, um beide für die geplanten Schäferstündchen mit Lucy/Nadila loszuwerden.
Die daraus folgenden Gefühlsverirrungen und -wirrungen inszeniert Ruehm als Spiel um Identitäten, Projektionen und Bilder, die man sich voneinander, aber auch von sich selbst macht – und die zur Obsession werden: Was zur Liebe im Allgemeinen, aber natürlich auch zur Psychoanalyse und den spiegelbildlosen Vampiren passt. Transportiert wird das über raffinierte Wendungen in der Handlung und ebenso intelligente wie witzige Dialoge, die dem Zuhörer im rasanten Ping-Pong-Stil um die Ohren fliegen. Damit ist „Therapie für einen Vampir“ im Grunde eine lupenreine Screwball Comedy, erweitert um das sehr komisch eingesetzte Vampir-Motiv: Ein schöner Running Gag ist beispielsweise der Zählzwang der Untoten. Auch die Psychoanalyse wird auf subtile Weise auf die Schippe genommen, etwa in Freuds eigenen Albträumen (von kaltem Wasser). Denn ob es nun um Therapie, die profane Teilung von Rindfleisch oder das Malen von Bildern geht: Alles findet hier stets nach einer ominösen „Methode“ statt. Ein durchweg liebevoll gestalteter Film, der nach einem Jahrhundert voller Vampirfilme durch eine originelle Herangehensweise glänzt.