„Nice Places To Die“, also: ‚Schöne Orte, um zu sterben’ auf drei verschiedenen Kontinenten stellt der Filmemacher Bernd Schaarmann in seinem Dokumentarfilm über den „Tod als Weggefährten“ vor. Der beste Ort, um zu sterben, da ist der Regisseur mit seinem betont subjektiv angelegten Film offenbar ganz bei seiner Gesprächspartnerin Rukka, sei bei dem Volk der Toraja auf der indonesischen Insel Sulawesi.
Deren Totenkult fasziniert Schaarmann, der im autobiographisch gefärbten Off-Kommentar verrät, dass er selbst „ein Bestatterkind“ ist: Die Toraja leben jahrelang im selben Haus mit ihren (mit Formalin behandelten) Verstorbenen, für die weiterhin Essen gekocht wird, mit denen man sich unterhält oder gemeinsam fernsieht. Erst wenn alle Familienmitglieder emotional zum Abschied bereit und zudem die enormen Vorbereitungen für die aufwändigen Beerdigungen abgeschlossen sind, werden die Verstorbenen begraben. Nun erst gelten sie als wirklich „tot“, nun erst wird getrauert. Auf diese Weise könne „der Tod langsam in den Verstand dringen“, erklärt die ebenso kluge wie rhetorisch begabte Rukka, Tochter des zweiten Protagonisten und Toraja-Oberhaupts Laso, der im Laufe der Dreharbeiten verstirbt.
Das leuchtet ein; überhaupt wirkt der Umgang des indonesischen Volkes mit dem Tod natürlicher als die hiesige scharfe Grenze zwischen Leben und Tod, auch weniger schmerzhaft. Schaarmanns Begeisterung über die Toraja-Tradition überträgt sich auf den Zuschauer. Ohnehin hat man nach diesem Film einen einigermaßen entfremdeten Blick auf die hiesige, von (vielleicht allzu großer) Pietät und Tabuisierung getragene Toten- und Beerdigungskultur: Wohltuend anders, nämlich unverkrampft im Angesicht des Todes wirkt auch der argentinische Leichentransporteur Ricardo, der Verstorbene manchmal Hunderte Kilometer weit zum Ort ihrer Beerdigung „begleitet“. Der gläubige Christ, der seine Nächte oft neben einer Leiche im Fond seines kleinen Lieferwagens verbringt, findet es gut, wenn seine Kinder Witze über den Tod machen und sich ohne Scheu auf einen Sarg setzen – und zeigt sich doch zutiefst respektvoll „seinen“ Toten und deren Angehörigen gegenüber.
Darüber hinaus porträtieren Bernd Schaarmann und seine Autorin Heike Fink mit Geraldine, Rolando oder Rosana Menschen, die auf den Gräbern und in den Mausoleen von Manilas Nordfriedhof wohnen, weil sie keine Miete für eine normale Wohnung bezahlen können. Außerdem Hanan, Ragab und Abdel-Latif, die ebenfalls aus Armut wie Zehntausende andere in Kairos so genannter „Totenstadt“ leben, die von ihren Bewohnern sogar mit Schulen, einem Postamt und einem Café ausgestattet wurde. Hier wie dort fällt die sensible Gesprächsführung der Filmemacher auf, eine Kommunikation auf Augenhöhe: Den teils wenig gebildeten, aber lebensklugen und insofern wunderbar gecasteten Gesprächspartnern wurde mit viel Zeit und Respekt zugehört. So kommen einem trotz der Fülle an Personen die einzelnen Protagonisten nahe, und das (gut gewählte) Thema des Films vermittelt sich in Ritualen und Anekdoten, im Aberglauben der Menschen und ihren immer wieder erhellenden Erkenntnissen zum Lebensbegleiter Tod.
Dazwischen lässt der Film viel Raum für Atmosphärisches, den es bei diesem Thema auch braucht. Freilich wäre hier etwas weniger mehr gewesen, sorgen die ausführlichen, sich langsam von ihrem Objekt wegzoomenden Helikopteraufnahmen immer wieder dafür, dass man sich fälschlicherweise am Ende des Films wähnt. Das lässt den Rhythmus manchmal etwas holpern, fällt aber ebenso wie die etwas zu flächendeckend eingesetzte Musik nur als kleine Einschränkung bei diesem ebenso interessanten wie unterhaltsamen Dokumentarfilm ins Gewicht. Ein zutiefst humaner Film, getragen von einer großen Liebe zu den Menschen und zum Leben. Was für ein Verlust, dass der Regisseur Bernd Schaarmann, der sich in seinen Filmen immer wieder mit dem Tod auseinandersetzte, im Oktober 2014 unerwartet und erst 46-jährig verstarb.