Unkommentierter Dokumentarfilm über die Oberammergauer Band Kofelgschroa, die sich durch die Kombination aus Volksmusik, Jazz und Blues sowie poetisch-absurde Texte einen Namen gemacht hat. Über mehrere Jahre hinweg werden die vier Band-Mitglieder bei Konzerten, Interviews sowie im Privatleben begleitet, wobei ausschließlich die Musiker zu Wort kommen, die ihre Freude am Musizieren und ihr Unbehagen am Musikgeschäft offenbaren. Eine stimmige Reflexion über Image-Pflege und Selbstvermarktung, zugleich das Porträt einer kreativen und selbstzweiflerischen Landjugend.
- Ab 12.
Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen.
Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 91 Minuten
Regie: Barbara Weber
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2014
- Produktionsfirma
- Südkino Filmprod./BR
- Regie
- Barbara Weber
- Buch
- Barbara Weber
- Kamera
- Johannes Kaltenhauser
- Musik
- Kofelgschroa
- Schnitt
- Peter König
- Länge
- 91 Minuten
- Kinostart
- 07.08.2014
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Es sei davor gewarnt: Die Beschäftigung mit der Gruppe Kofelgschroa bringt die Gefahr von Ohrwürmern mit sich. Dabei ist die Musik der oberbayrischen Band keinesfalls gefällig. Doch die Kombination aus traditionellen Volksmusikweisen und Jazz- oder Blues-Elementen, die vielen, fast mantraartigen Wiederholungen, die wechselnden Rhythmen, die Länge der Lieder und die poetisch-absurden Texte von Songs wie »Wäsche« oder »Eintagesseminar« tun das ihre, um sich in Köpfen und Ohren festzusetzen.
Sich selbst bezeichnen die vier Bandmitglieder als »Freizeitmusiker mit viel Freizeit«. Wenn man Barbara Webers Dokumentarfilm über die Oberammergauer Band gesehen hat, weiß man, dass dies nicht kokett gemeint ist. Überhaupt ist Koketterie so ziemlich das Letzte, was man mit Kofel-gschroa in Verbindung bringen könnte (der Name der Band übrigens setzt sich zusammen aus dem Oberammergauer Hausberg Kofel und dem bayrischen Wort für »Geschrei«). Diese ernsthaften, naturverbundenen jungen Männer sind, was sie sind, nicht mehr und nicht weniger. Keine Rollen, keine Masken, keine Verstellung. Selten hat man solch wahrhaftige Menschen vor der Kamera gesehen wie hier, erst recht nicht, wenn es ums sogenannte Showbusiness geht. Die Musiker lassen sich, Zeichen eines offenbar engen Vertrauensverhältnisses, von der Autorin (und dem Zuschauer) gewissermaßen bis in ihre Köpfe hinein gucken, wenn sie immer wieder ganz ohne Zeitdruck vor der Kamera nach den richtigen Worten suchen, sich beim Denkprozess filmen lassen. Kofelgschroa, so stellt sich das in diesem Film dar, ist die Antithese zur Floskel, zur Phrase.
Die Filmemacherin Barbara Weber hat die Band von 2010 bis 2013 begleitet, zu Konzertauftritten, Bandwettbewerben, Radiointerviews. Sie ist bei der musikalischen Ausbildung des einen dabei und in der Studentenbude des anderen, in der Schmiedewerkstatt und beim Junggesellenabschied, beim Ziegenfüttern und beim Heu-Ausfahren. Und sie führt viele Gespräche mit Maxi Pongratz (Akkordeon, Gesang), Martin von Mücke (Helikontuba), Michael von Mücke (Gitarre, Flügelhorn, Gesang) und Matthias Meichelböck (Tenorhorn, Gesang). Zu hören ist die Autorin dabei kaum jemals selbst, sie lässt die Musiker und ihre Musik für sich sprechen und verzichtet gänzlich auf Off-Kommentare oder Interviews mit Dritten. Nicht einmal die Freundinnen oder Eltern der Bandmitglieder werden ins Bild gesetzt. Diese »puristische« Herangehensweise passt perfekt zum unverstellten Auftreten von Maxi Pongratz und Co.
Durch den jahrelangen zeitlichen Bogen und die engmaschige Begleitung ist der Film »Kofelgschroa. Frei. Sein. Wollen.« aber auch eine Art Coming-of-Age-Film, die Geschichte einer Entwicklung: Von den spaßeshalber miteinander musizierenden Freunden hin zu wachsender, auch überregionaler Popularität, die freilich den Druck zur Imagepflege und Selbstvermarktung mit sich bringt: Hier zu beobachten bei diversen traurig-komischen Presseterminen mit ebenso hippen wie gewieften Rundfunkjournalistinnen. Da prallen Welten aufeinander, und man möchte die vier Jungs vom Lande allzu gerne vor dieser »anderen Welt« des Showbusiness, der großen Klappen und der schnellen Zuschreibungen bewahren. Das möchten Kofel-gschroa auch selbst, nicht umsonst wachsen im Verlauf des Films die Zweifel und Sorgen der Bandmitglieder, wie man sich gegen derartige Vereinnahmungen schützen, den Mechanismen des Betriebs ein Stück weit entziehen und das Leichtfüßige der Anfangsjahre bewahren kann. Ein Teil der Lösung scheint für die Band darin zu liegen, die Musik eben nicht zum Beruf zu machen und »Freizeitmusiker« zu bleiben. Wie man überhaupt frei und selbstbestimmt bleiben und dennoch Verantwortung übernehmen kann, wie aber die Freiheit auch eine Bürde sein kann: Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch den Film.
Nicht nur insofern ist dieser Dokumentarfilm sehr viel mehr als eine durchschnittliche Band-Doku. Er ist auch das Porträt einer ebenso kreativen wie selbstzweiflerischen (Land-)Jugend, die ihre neuen Chancen zur Selbstentfaltung nutzt, diesen aber auch misstraut und das Handwerk, die Tradition und auch die Religion als Stabilität gebenden Gegenpol begreift. Ein Film über die Schnittstelle zwischen Alt und Neu, Land und Stadt, Tradition und Moderne, der damit ganz und gar stimmig die wunderbare Musik von Kofelgschroa abbildet.
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