Drama | Schweiz/Deutschland 2013 | 99 Minuten

Regie: Petra Biondina Volpe

An Heiligabend schlagen sich vier Menschen aus gutsituierten Verhältnissen in Zürich mit familiären und biografischen Nöten herum. Dabei sind sie alle mit dem Schicksal einer 18-jährigen Prostituierten verbunden, die sich nach ihrer kleinen Tochter in Bulgarien sehnt. Eine fein ziselierte Milieustudie aus den Stadtvierteln um die Züricher Langstraße, die von Sehnsüchten und dem Bedürfnis nach menschlicher Nähe erzählt. Das locker-flockig, scheinbar ins Ungefähre geschriebene Drama lebt von der fragilen Zerbrechlichkeit seiner Hauptdarstellerin und reiht sich erfolgreich in die Tradition des sozialrealistischen Kinos ein. (Teils O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TRAUMLAND
Produktionsland
Schweiz/Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Zodiac Pic. International/Wüste Film Ost/SRF
Regie
Petra Biondina Volpe
Buch
Petra Biondina Volpe
Kamera
Judith Kaufmann
Musik
Sascha Ring
Schnitt
Hansjörg Weissbrich
Darsteller
Luna Mijović (Mia) · André Jung (Rolf) · Bettina Stucky (Judith) · Marisa Paredes (Maria) · Ursina Lardi (Lena)
Länge
99 Minuten
Kinostart
20.11.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Lighthouse (16:9, 2.35:1, DD5.1 Schweizerdeutsch/dt.)
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Diskussion
Es ist der 24. Dezember, es weihnachtet sehr. Doch in „Traumland“ geschieht dies nicht „O du Fröhliche“-lustig und auch nicht versöhnlich-kitschig. Es weihnachtet vielmehr grau-real, wie es in vielen mitteleuropäischen Städten der Fall ist. Der erste Spielfilm der Italo-Schweizerin Petra Biondina Volpe spielt fern jeder Postkartenidylle, dort, wo Zürich alles andere als großstädtisch-reich ist: hinter dem Bahnhof. In den Straßen, Gassen, Vierteln rund um die Langstrasse. Hier wohnt ein bunt durchmischtes Völkchen: Arbeiter, Handwerker, Immigranten, Künstler, Studenten, auch Huren, Zuhälter, Dealer sowie allerlei lichtscheue Gestalten. Schon so mancher Schweizer Film, etwa „Hinter den sieben Gleisen“ (1959), „Bäckerei Zürrer“ (1957), „Bingo“ (1990), „Strähl“ (fd 37 421) oder „Gekauftes Glück“ (fd 27 446), hatte in dieser Gegend gespielt. Nicht wenige erzählten Geschichten von der Suche nach dem Glück. Das tut „Traumland“ in gewisser Weise auch; anzumerken ist allerdings, dass die Gegend hinter dem Züricher Bahnhof in den letzten Jahren einen starken Wandel erlebte. Der Straßenstrich, der in „Traumland“ eine zentrale Rolle spielt, ist heute so nicht mehr anzutreffen; er wurde im August 2013 aufgehoben. Der Film nimmt seinen Anfang im Herandämmern des frühen Morgens eines Heiligen Abend. Hier blinkt in einem Fenster ein Stern, dort leuchtet eine Girlande; verloren klettert eine Weihnachtsmann-Attrappe eine karge Fassade hoch. Mietkaserne steht neben Mehrfamilienhaus, aus der obersten Etage eines Hochhauses fliegt lautlos ein in Flammen aufgegangener Weihnachtsbaum. Minimalistisch dazu die Klänge der Musik von Sascha Ring und Nackt; kalte Sehnsuchtsmusik, die für die Träume einer jungen Frau steht, von der man sehr spät erst den Namen erfährt: Mia. Zürich schlummert noch, als Mia vor die Tür der Baracke gesetzt wird, in der sich Prostituierte während der Nacht aufwärmen, einen Tee trinken, sich mit Präservativen eindecken und Rat holen können. Mia ist eine von ihnen. Sie ist 18, kommt aus Bulgarien, hat zu Hause ein Töchterchen, das nun ihre Mutter großzieht. Sie ist nach Zürich gekommen, um schnell viel Geld zu verdienen. Sie hat langes Haar, große Augen, trägt Highheels, Push-Up, Mini, Lippenstift. Volpe hat über Jahre ausgiebig recherchiert, um die fiktive Geschichte in der Realität zu verorten. Gespielt wird Mia – sensibel-intensiv, eine reizende Spur verschlampt auch – von Luna Zimic Mijovic. Mijovic kommt aus Sarajevo, stand in „Esmas Geheimnis“ (fd 37 687) halbwüchsig das erste Mal vor der Kamera, danach spielte sie einige kleinere Rollen. Mia ist ihre erste Hauptrolle. Sie trägt sie ernsthaft. Füllt sie mit fragiler Zerbrechlichkeit, manchmal mit schwer gezügelter Fiebrigkeit: Es ist kein Sein, wenn man mit einem Freund, der keiner ist, in einer heruntergekommenen Wohnung haust, nachts friert, fleißig Freier bedient und doch zu Weihnachten nicht zu seinem Kind nach Hause darf. Der Film verbindet Mias Geschichte lose mit denjenigen von vier weiteren Personen, einer Sozialarbeiterin, einer alten Nachbarin, zwei Freiern: der frisch geschiedene Rolf hat einen tattrigen Vater und eine abtrünnige Tochter, Martin ein schickes Haus, ein Söhnchen, eine schwangere Gattin und die Schwiegereltern zu Besuch. „Traumland“ erzählt von Sehnsüchten. Vom Bedürfnis nach menschlicher Nähe, das die Menschen an Weihnachten ein bisschen heftiger plagt als sonst, und von einer Liebesdienerin, die schließlich mutterseelenallein am Stadtrand auf einer Gartenbank sitzt. Das locker-flockig und scheinbar ins Ungefähre geschriebene Drama erweist sich unterm Strich als fein ziselierte und genaue Milieustudie in der Tradition eines der Realität verpflichteten Autorenkinos, wie man es von den Dardenne-Brüdern, Ken Loach oder aber Chantal Akerman kennt. Ein starker und lang nachhallender Frauenfilm.
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