Das Regiedebüt von Wally Pfister ist Science Fiction im wortwörtlichen Sinn. Die Handlung ist wenn dann nur ein wenig in die Zukunft verschoben; Häuser, Straßen, Autos, Kleidung sehen aus wie in unserer Gegenwart. Alles, sagen Pfister und sein Drehbuchautor Jack Paglen, könnte genauso gut hier und heute passieren. Gemeinsam haben sie eine technikparanoide Fantasie entworfen, die – was das gute Recht von Fiktion ist – vorrangig die potenziellen Gefahren von künstlicher Intelligenz und weltweiter Vernetzung isoliert und deren Konsequenzen in ein mögliches, wenn auch nun ganz und gar nicht wahrscheinliches Szenario übersetzt.
In der Exposition sieht man eine Stadt, die nach Ausnahmezustand aussieht: die technische Infrastruktur liegt brach. Kaputte Handys sind achtlos über die staubigen Straßen verstreut; in Boston, verrät die Erzählerstimme, soll es angeblich wieder Strom geben, während der Mann, dem die Stimme gehört, auf einen verwilderten Garten zusteuert. Man begegnet einer Zivilisation, die katastrophisch gescheitert ist und ganz aufs Analoge zurückgeworfen wurde. Und sieht zunächst doch nur Ausschnitte: Regentropfen in Nahaufnahme, eine Computertastatur, die als Türstopper dient, einen zugewachsenen Hinterhof, der wie ein klaustrophobisches Idyll wirkt.
Ist das der große Genrefilm, inszeniert von dem Mann, der die „Batman“-Spektakel von Christopher Nolan fotografiert hat und für die bombastischen Traumbilder von „Inception“
(fd 39 996) sogar einen „Oscar“ gewann? Tatsächlich fantasieren die Macher von „Transcendence“ sich ihre eigene Technikmythologie zusammen, in der das Fleisch, der Stoff und der Code später eine beängstigende Einheit eingehen. Zunächst ist es aber der Geist, der sich ganz und gar im Digitalen formt. Der Informatiker Will Caster wird von einem Anhänger einer antitechnologischen Terrorgruppe angeschossen und mit Polonium vergiftet. Ihm bleiben nur noch wenige Wochen. Gemeinsam mit seiner Frau Evelyn und seinem Freund Max, dem Erzähler der Rahmenhandlung, entscheidet er sich, ein Experiment fortzusetzen und sein Bewusstsein in einen Rechner zu laden. Die Sache scheint zu gelingen, und Evelyn lädt diese neue Entität, die sie für ihren Mann hält, gegen den Rat von Max ins Internet hoch. Und siehe da – der neue, digitale Will scheint zu wollen, was den alten, leicht verstrubbelten Wissenschaftler nie so richtig interessiert hat: Er will die Welt verändern.
Was bedeuten Emotion und Intellekt, Menschlichkeit und Größenwahn, ja, was bedeutet in unserer technologiegesättigten Welt ein Begriff von Gott? Darunter macht es Wally Pfister nicht. Solche komplexen Abstrakta werden im Genre gerne parallel geführt mit spekulativen Schauwerten, die die Ehrfurcht vor ihren großen Themen in Ehrfurcht vor großen Explosionen, gigantischen Sets und Effekten übersetzen. Nicht so in „Transcendence“. Im Vergleich zu Ridley Scotts „Prometheus“ oder zum neu aufgelegten „Star Trek“-Franchise sieht „Transcendence“ beinahe wie ein Kammerspiel aus, wie die Geschichte eines Liebespaares aus Materie und Software, das sich in einen Bunker aus datenstromübersäten Monitoren und blank polierten Korridoren zurückzieht und von dort aus forscht und Pläne schmiedet.
Was hat das Ding, das einmal Will war und vielleicht noch ist, wirklich vor? Die Sache wird abstrus, sie wird größenwahnsinnig, sie bedient sich bei Motiven aus dem Fundus der B-Movies, die sich um Logik und Glaubwürdigkeit wenig scheren. Das aber macht die seltsame Faszination dieses widersprüchlichen und dennoch klug konzipierten Filmes aus: Pfister erzählt eine haarsträubende Geschichte, ohne sich dem Bildeffekt hinzugeben. Natürlich greift er auf Standardsituationen zurück, natürlich generiert er Spannung aus der Verknappung von Zeit und natürlich scheut er auch das Sentimentale nicht. Aber er macht Ernst mit der Erkenntnis, dass ein Welt- und Menschenbild – und dessen Zerstörung – sich eben nur schwer in ein Kinobild übersetzen lassen. „Transcendence“ bewahrt noch im schwersten Getöse die Ruhe. Es ist ein enorm ehrgeiziges wie beachtlich bescheidenes Werk.