Like Someone In Love
Drama | Frankreich/Japan 2012 | 109 Minuten
Regie: Abbas Kiarostami
Filmdaten
- Originaltitel
- LIKE SOMEONE IN LOVE
- Produktionsland
- Frankreich/Japan
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Euro Space/MK2 Prod.
- Regie
- Abbas Kiarostami
- Buch
- Abbas Kiarostami
- Kamera
- Katsumi Yanagijima
- Schnitt
- Bahman Kiarostami
- Darsteller
- Rin Takanashi (Akiko) · Tadashi Okuno (Takashi) · Ryô Kase (Noriaki) · Denden (Hiroshi) · Mihoko Suzuki (der Nachbar)
- Länge
- 109 Minuten
- Kinostart
- 27.02.2014
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Der erste in Japan gedrehte Film des iranischen Regisseurs Abbas Kiarostami ist ein konzeptuell eindrucksvolles Werk mit visuellem Witz.
Selten hat ein Filmanfang auf eine so konzeptuelle Weise Verwirrung und Des-orientierung gestiftet wie die Eröffnungssequenz von „Like Someone In Love“ – und das ausgerechnet mit einer langen, unbewegten und zudem sauber kadrierten Einstellung. Ein Restaurant, gefilmt in einer halbnahen Einstellung: ein paar Tische, Gäste, seltsam angeschnitten, darunter eine Frau im Halbprofil, ihre Lippen bewegen sich, hinzu kommt eine weibliche Stimme, die weder personell, noch räumlich zuzuordnen ist. Die Sitzordnung wirkt inkonsistent, auch das ist seltsam und erschwert den Überblick über die Figurenkonstellation. Wer spricht? Und mit wem? In welcher Anordnung befinden sich die Figuren, und wer oder was ist überhaupt das Zentrum dieser kalkuliert zerstreuten Einstellung?
Mit solchen und ähnlichen Fragen ist man beschäftigt, bevor die Szene im einfachen Umschnitt aufgelöst wird und Akiko zeigt, eine junge, zuvor außerhalb des Bildes platzierte Studentin, die im leicht überforderten Verteidigungston in ihr Telefon spricht. Akiko, so reimt man es sich aus ihren Sätzen zusammen, telefoniert mit Noriaki, ihrem eifersüchtigen Freund, der nichts von ihrer Nebenbeschäftigung als Callgirl ahnt.
Eine Szene später sitzt die erschöpfte Akiko melancholisch auf dem Rücksitz eines Autos, gleitet fließend durch ein wunderschön gefilmtes, nächtlich erleuchtetes Tokio, auf dem Weg zu einer Verabredung mit Herrn Takashi, einem älteren ehemaligen Soziologieprofessor, der außerhalb der Stadt lebt. Auf der Fahrt hört sie sämtliche Nachrichten ab, die ihre Großmutter auf ihrer Mailbox hinterlassen hat. Es ist ein eigenes kleines Hörstück, das sich hier wie nebenbei in den Film einnistet: der Off-Text dokumentiert den Tag der Großmutter, angefangen von der Zugfahrt nach Tokio, ihrer Ankunft und die damit verbundene Verwunderung, die Enkeltochter nicht anzutreffen, über diverse Besuche von Nudelsuppenrestaurants und Cafés bis hin zur bevorstehenden Rückfahrt.
Wechselspannung zwischen On und Off
Irgendwann sieht man die alte Frau auf einer kleinen Insel mitten im Kreisverkehr stehen, während das Auto mit Akiko an ihr vorbeifährt. Von der ersten bis zur letzten Szene des Films herrscht eine permanente Wechselspannung zwischen visuellem On und akustischem Off – auf Anrufbeantwortern hinterlassene Nachrichten, Telefonanrufe, Stimmen und Geschrei vor der Wohnungstür, durch die Sprechanlage oder in die andere Richtung: ein Gespräch über ein Gemälde, das man währenddessen nicht sieht, obwohl es im selben Raum hängt, in dem die Figuren sprechen.
Immer wieder kommen Bild und Ton nicht zur Deckung, dissoziieren sich wie zwei Kräfte, die es zwangsläufig auseinandertreibt. Den Figuren ergeht es übrigens nicht viel anders, auch sie sind solitäre Wesen, selbst in der sozialen Interaktion voneinander getrennt – wiederholt etwa durch Autofenster, einen Vorhang oder schlichtweg durch die Begrenzungen des Filmbildes und die Montage. Abbas Kiarostami vereint die Figuren nur selten im Bild und wenn überhaupt nur durch Spiegelungen. Dadurch spart er sich gelegentlich auch die obligatorischen Gegenschnitte in Gesprächssituationen.
Eine Szene zeigt, wie Takashi von einem Stuhl aus mit der im Bett liegenden Akiko spricht, während diese nur in der Spiegelung eines Fernsehers zu sehen ist, der direkt neben ihm steht. Auf meisterhafte Weise vereint die Inszenierung so visuellen Witz mit einer bestechenden Erzählökonomie
Zweiter Film außerhalb des Iran
„Like Someone In Love“, benannt nach einem Song von Ella Fitzgerald, ist der erste Film, den der iranische Regisseur Abbas Kiarostami in Japan gedreht hat. Nach „Copie Conforme“ (dt. Titel: „Die Liebesfälscher“) ist es sein zweiter Film außerhalb seines Heimatlandes. Erneut geht es um die Verstellung und den Schein, um das Spiel, das ähnlich wie in der klassischen Verwechslungskomödie durch die Annahme einer fremden Rolle in Gang gesetzt wird – nur weiß man bei Kiarostami nie, ob und wie weit beide Seiten in das Spiel verwickelt sind oder ob nicht vielmehr der Regisseur als der eigentliche Spielleiter fungiert.
Der etwas zerstreut wirkende Takashi rutscht jedenfalls während seiner Bekanntschaft mit Akiko in die Rolle ihres Großvaters, da Noriaki ihn automatisch dafür hält. Takashi spielt das Spiel mit, entwickelt sich dann aber tatsächlich immer mehr zur beschützenden großväterlichen Figur. Kiarostami verwendet große Sorgfalt für die Ausgestaltung und Inszenierung der Räume, insbesondere für Takashis Wohnung: die Papier- und Bücherstapel, der Schreibtisch mit dem dahinterliegenden, auf die Straße gehenden Fenster, der Platz, an dem er von den Straßen- in die Hausschuhe wechselt – ein geradezu situationskomisch in Szene gesetztes „Spielfeld“ zwischen Wohnungstür und Telefon.
„Like Someone In Love“ ist ein Film mit einer starken Autorenstimme, eine Versuchsanordnung über Kommunikation und Vereinzelung, in der die Figuren dennoch lebendig wirken, nicht einfach hineingestellt. Die Trennung der Bereiche Innen und Außen, On und Off hält Kiarostami konsequent aufrecht; umso größer ist der Schock, wenn diese in der letzten Szene buchstäblich zu Bruch geht.