Im winzigen Provinzdorf Herzfeld irgendwo in Thüringen stehen alle Zeichen auf Niedergang. Die Straßen des beschaulichen Orts mit der Patina des Alters und Zerfalls sind menschenleer, die Häuser und Geschäfte nahezu verwaist; einer der letzten hier ansässigen Handwerksbetriebe ist die kleine Schreinerei von Rickys Vater – und auch sie kämpft ums Überleben. Nur wenn der zehnjährige Ricky durch die sonnendurchflutete Landschaft radelt, um an einer einsamen Landstraße in den Bus zu steigen, der ihn zur Schule bringt, kommt Leben ins Bild. Der temperamentvolle, fantasiebegabte und selbstbewusste Junge schafft sich seine eigene Welt, in der er an einem geheimen Ort mit einem imaginierten Gleichaltrigen Kung Fu trainiert; aus einem solchen Fantasie-Spiel tankt er genug Energie und (naives) Selbstbewusstsein, um es mit den Alltagssorgen aufzunehmen – auch mit den rüden Jugendlichen aus der „Gang“ seines älteren Bruders Mischa, die ihre Zeit mit kleinen Diebstählen sowie mit Rumlungern am kleinen See totschlagen. Das Verhältnis von Ricky und Mischa ist angespannt, seit sich der Ältere immer mehr abkapselt und mit dem Vater auf Konfrontationskurs geht. Mischa hält den Vater für einen „Loser“, dieser beschimpft ihn als „Versager“, was Mischa tief trifft. In dieser wirtschaftlich wie familiär angespannten Situation taucht Alex auf, ein alles andere als pflegeleichtes Mädchen, das mit seiner alleinerziehenden Mutter ins Dorf zieht. Allmählich öffnet sich Alex gegenüber dem jüngeren Ricky, zieht ihn ins Vertrauen, was dieser nicht nur genießt, sondern ihn auch ein Stückchen verliebt macht. Doch da ist auch das Interesse Mischas, der den kleinen Bruder zum Spionieren losschickt, bis aus seinen Gefühlen ein explosives Gemisch wird, das auf eine Katastrophe zusteuert.
Mag die Sonne auch noch so idyllisch strahlen: Rickys kleine Welt hat rein gar nichts von der Heile-Welt-Idylle, die man sonst aus Kinderfilmen kennt. Und doch ist sein so konflikt- und sorgenreicher Alltag erlebnisreich und spannend, voller Abenteuer um die Ecke. Pädagogisch wie auch handlungslogisch mag das hier und da „löchrig“ sein, was man dem Film aber nicht als Schwäche auslegen sollte; eher verdient er viel Respekt dafür, dass er sein geringes Budget zu einer visuell eigenständigen Verdichtung nutzt und (mitunter mit Western-Flair) spielerisch, nie aber auf Kosten der Realität die dörfliche Lebenswelt einfängt. Der Enge des Dorfs stellt er die Weite der Landschaft gegenüber, aus der das wärmende Licht bis in die Innenräume flutet und Geborgenheit, Wärme und „Heimat“ schafft; als Refugium für Familie und Beruf, das von der Verhärtung der Menschen bedroht ist, ihrer Verunsicherung, ihrer finanziellen wie seelischen Notlage. Dann kann es im Innern mitunter schnell dunkeln, wenn der schwierige Weg der Menschen in einen Wust aus Frustrationen, Enttäuschungen und Erniedrigungen mündet und sich Lebensfreude, Zuneigungen und Träume nicht behaupten können. Umso intensiver wird Ricky in seiner kindlich-unbekümmerten Direktheit zum Hoffnungsträger; es ist sein kindlich-naives, spontanes Beharren, das tröstet und Mut macht: Mut zur Eigenständigkeit, zum Glauben an die eigenen Fähigkeiten und zur Offenheit, sich zu umarmen, zu weinen oder einfach „danke“ zu sagen, wie es der introvertierte Mischa am Ende gegenüber seinen Eltern über die Lippen bringt. Manch schöne Szene bleibt in Erinnerung: wenn Ricky seinem Bruder liebevoll erzählt, was ihm an Alex gefällt (worauf Mischa brüsk reagiert, weil er „Facts“ will); wenn Alex und Ricky still nebeneinander an der Haltestelle sitzen oder in einem Buch über Feuerland blättern, bis es zum vertrauensvollen Gespräch kommt; oder wenn Platz für ausgelassene Momente bleibt, so wenn Ricky und sein Schulfreund Theo eine Hausaufgabe fantasiereich in eine kleine Aufführung über Mumien im alten Ägypten ummünzen.