Argerich - Bloody Daughter

Dokumentarfilm | Frankreich/Schweiz 2012 | 95 Minuten

Regie: Stéphanie Argerich

Als Kind erhielt die Filmemacherin Stéphanie Argerich eine Videokamera geschenkt, mit der sie ihrer Mutter, der berühmten Pianistin Martha Argerich, fortan auf den Leib rückte. Selbst Mutter geworden, montiert die Tochter aus der lebenslangen filmischen Beschäftigung mit ihrer Mutter ein nachdenkliches Porträt, das die biografische Spurensuche zu einem klugen Essay über Nähe und Distanz, Vertrautheit und Fremdsein verwebt. Am Ende sitzen die Mutter und ihre drei Töchter in einem großen Garten und reden über so große Themen wie Alter und Angst und so banale wie den großen Zeh von Martha Argerich. Die „Bloody Daughter“ hat die Klaviergöttin menschlich gemacht. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ARGERICH
Produktionsland
Frankreich/Schweiz
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Idéale Audience/Intermezzo Films/RTS/SRF/ARTE France
Regie
Stéphanie Argerich
Buch
Stéphanie Argerich
Kamera
Stéphanie Argerich · Luc Peter
Schnitt
Vincent Pluss
Länge
95 Minuten
Kinostart
30.01.2014
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen folgende Konzerte: "Martha Argerich in Warschau, 27 August 2010", (47 Min.)., Chopins Klavier Konzert Nr.1 in e-moll, sowie Zugaben von Chopins Mazurka in C-Dur, op. 24 Nr. 2 und Schumanns Traumeswirren Nr. 7, op. 12.

Verleih DVD
EuroArts/Naxos (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl. & frz.)
Verleih Blu-ray
EuroArts/Naxos (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl. & frz.)
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Diskussion
In diesem Film geht es nicht um Musik, obwohl in seinem Mittelpunkt die große Klaviervirtuosin Martha Argerich steht, die Sphinx des internationalen Musikbetriebs und legendäre Interpretin der Werke Rachmaninows, Tschaikowskis, Prokofiews, Beethovens, Schumanns, Chopins. Nicht ihr temperamentvolles Spiel mit den weißen und schwarzen Tasten des Flügels, sondern ihr buntes Leben in einer Patchwork-Familie zeigt der Film ihrer Tochter Stéphanie aus der dritten Ehe mit dem amerikanischen Pianisten Stephen Kovacevich. Im Hause Argerich wurde schon früh mit der Heimvideokamera gedreht, die Martha Argerich ihrer Tochter von einem Konzert in Japan mitbrachte. Dass Stéphanie Argerich sich damit gezielt auf biografische Spurensuche machte, um sich von der dominanten Mutter zu emanzipieren, hätte sich die Virtuosin wohl nicht träumen lassen; aber sie geht damit so unkompliziert und offen, so konzentriert und ungekünstelt, einfühlsam und nachdenklich um wie mit den Tasten ihres Instruments. Wie lebt man mit einer Mutter, die eine Göttin ist? Vielleicht war es die Kamera, die die Tochter auf die Idee brachte, herauszufinden, wer diese Frau ist, „die sich, wenn sie am Klavier sitzt, von mir entfernt“, und von der ein Bann ausgeht, der „sanft und doch lähmend ist“. Stéphanie Argerich hat den größten Teil ihrer Kindheit mit ihrer Mutter auf Tournee verbracht und erinnert sich, wie sie beim Üben unter dem Flügel lag und beobachtete, wie die Füße der Mutter die Pedale bedienten. „Wie hast Du gespielt, als Du mit mir schwanger warst?“, will sie heute wissen; Martha Argerich erzählt davon, wie sie Ravels „Gaspard de la nuit“ aufnahm; als sie die Aufzeichnung anhörte, hatte sie den Eindruck, dass das nicht suggestiv und dämonisch, sondern „wie eine schwangere Hausfrau“ klang. Die Kamera ist der Schlüssel zu den Verliesen der Familiengeschichte. Durch sie verändert sich die Atmosphäre der Begegnung mit der Mutter. Mit der Kamera ist immer ein Zeuge anwesend, das weiß Martha Argerich. Mit einer unglaublichen Offenheit setzt sie sich der ständigen Beobachtung aus und redet über ihre Zweifel, ihre Traurigkeit, ihre Depressionen, darüber, wie man sich sieht, wo man zuhause ist. Ein Leben zwischen Kunst und Familie, und wie das zusammenpasst: die brillante Performance am Flügel, die über die Tasten jagenden Finger und das chaotische Private, drei Töchter von drei verschiedenen Männern, wobei die erste Tochter (mit einem chinesischen Musiker) ihre Kindheit in einem Heim und bei Pflegeeltern verbrachte. Das erfährt Stéphanie Argerich erst spät, auch dass der Name ihres Vaters nicht auf ihrer Geburtsurkunde steht. Das scheint den aber nicht sonderlich zu stören; denn was zählt, ist diese „tiefe, dunkle, leidenschaftliche Beziehung“ zu Martha Argerich, „die nur selten leicht und lyrisch war. Genau das brauchte ich.“ Ein unbürgerliches Leben könnte man das nennen und mit dem Prädikat „künstlerisch“ auszeichnen. Auf jeden Fall hat die Tochter das schwierige Leben mit dieser Mutter und diesem Vater offenbar gut gemeistert. Am Ende sitzen die Mutter und ihre drei Töchter in einem großen Garten im Gras und reden über so große Themen wie Alter und Angst und so banale wie den großen Zeh von Martha Argerich. Die stellt dann doch die Frage an Stéphanie: „Du beobachtest und filmst alles. Warum machst du das? Was willst du damit zeigen?“ Die Antwort könnte dieser Film sein. Die schönste Antwort aber gibt sie selbst: „Ich sehe dich an, weil ich das liebe. Ich liebe es, bei dir zu sein.“ Die „Bloody Daughter“ hat die Klaviergöttin menschlich gemacht. Ob das den Fans der großen Pianistin gefällt?
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