Wer angesichts der schier endlosen Liste von Stars, die an „The Counselor“ beteiligt sind, auch nur im Entferntesten ein Hollywood-Drama mit viel Action und Effekten erwartet, hat die Rechnung ohne Cormac McCarthy gemacht, den Philosophen unter den Autoren eines amerikanisch geprägten Verismus. „The Counselor“ ist McCarthys erstes Drehbuch, und es ist voller sarkastisch-nihilistischer Dialoge, die – ähnlich wie schon der nach seinem Buch entstandene Film „No Country for Old Men“
(fd 38 601) – ein von Gier und Gewalt beherrschtes Bild des Südens der Vereinigten Staaten entwerfen. Auf der Suche nach einer Story werden ungeduldige Zuschauer vermutlich über eine Stunde herumirren in einem Puzzle von Andeutungen und Hinweisen, die sich erst allmählich zu einer konkreten Handlung verdichten. Wer Filme zu lesen versteht, bekommt von Ridley Scott allerdings genügend Anhaltspunkte, wie das Leben der Hauptfigur, eines namenlosen, reichen texanischen Anwalts (Michael Fassbender), weitergeht, als dieser sich in einen gigantischen Drogendeal verstrickt. Der elegante, mitleidlose Gepard, der gleich zu Anfang einem fliehenden Hasen nachjagt, ist nur eines von vielen Bildern, mit denen Scott die zahllosen abstrakten Dialoge McCarthys konkretisiert.
Der Anwalt trifft sich mit einem im Luxus lebenden Nachtclubbesitzer (Javier Bardem) und einem zwielichtigen Geschäftsfreund (Brad Pitt), die ihn beide davor warnen, sich auf den Deal einzulassen, denn die mexikanischen Kartelle würden keine Gnade kennen. Während erste Szenen von jenseits der Grenze ahnen lassen, wie der Kokainschmuggel vor sich gehen soll, bewegen sich die elliptischen Dialoge mit zunehmender klinischer Präzision um die Unausweichlichkeit des Schicksals, das dem Anwalt und allen Beteiligten zustoßen muss, sollte der Deal schiefgehen. Von großer Bedeutung in dem fatalistischen Spiel sind zwei konträre Frauenfiguren: die Licht und Hoffnung verkörpernde Freundin des Anwalts (Penélope Cruz) und die der Verlockung des Bösen verfallene Freundin des Nachtclubbesitzers (Cameron Diaz).
Wie stets bei McCarthy geht die Story blutig und unerbittlich zu Ende. Aber bis es so weit ist, lässt sich „The Counselor“, mehr als es manchem Zuschauer lieb sein mag, über die Verkettungen von Gut und Böse in einer Welt aus, deren Materialismus dem Überleben langfristig keine Chance gibt. Ridley Scott hat eine fast poetisch zu nennende, mit vielen Großaufnahmen arbeitende Bildsprache für die Dialoge gefunden, die kalt und analytisch um die Folgen kreisen, wenn ein Mensch, dem alle Türen offenstehen, die falsche Entscheidung trifft. Die von Sonne durchflutete Landschaft und Architektur trägt zusätzlich dazu bei, Handlung und Charaktere in umso finstererem Licht erscheinen zu lassen. Selbst vor drastischen und obszönen Details scheut Scott nicht zurück, um für die Rigorosität von McCarthys pessimistischer Weltsicht filmische Entsprechungen zu finden. Viele seiner früheren Filme handelten von vereitelten Träumen und tragischen Konsequenzen, nicht zuletzt auch sein visionärer Science-Fiction-Film „Blade Runner“
(fd 23 689). Aber mit „The Counselor“ hat er sich nun ganz dem ausweglosen Universum Cormac McCarthys verschrieben und einen der konsequentesten „Film noirs“ gemacht, so hoffnungslos, dass man sich als Zuschauer zum Schluss am liebsten der Illusion hingeben möchte, das Ganze sei nur ein Albtraum gewesen. Oder vielleicht ist es einer? Der erste Satz, der in „The Counselor“ gesprochen wird, lautet „Are You Awake?“