Ada ist 15 Jahre alt, hochbegabt, klug und gebildet. Zwei Klassen hat sie auf dem Privatgymnasium schon übersprungen. Bei ihren Mitschülern ist sie deshalb als Streberin verschrieen; ständig muss sie sich hänseln lassen. Um ihre Position als unbeliebte Außenseiterin zu rechtfertigen, hat sie beschlossen, die anderen doof und langweilig zu finden. Bis Alev in ihre Klasse kommt. Der neue Mitschüler ist attraktiv, mit Anzug und Schlips überaus adrett gekleidet, charmant und intelligent, aber auch kühl, selbstbewusst und arrogant. Nicht einmal vor den Lehrern hat er Respekt. Ada fühlt sich schnell zu dem charismatischen, geheimnisvoll wirkenden Sohn aus reichem Haus hingezogen. Körperlich, aber auch geistig. Und dann erläutert Alev ihr seine Theorie des Spieltriebs, dass man Menschen wie Marionetten steuern und manipulieren kann. Als erstes Opfer hat er den Sportlehrer Smutek auserkoren, der in seiner Gutmütigkeit, aber auch in seiner Unbeholfenheit im Umgang mit den Schülern für die Intrige ideal zu passen scheint. Instinktiv hat Alev nämlich erkannt, dass sich Smutek ein wenig zu sehr um Ada und ihren schulischen Erfolg kümmert. Plötzlich entspinnt sich ein Kampf um Sex, Erpressung, Macht und Begehren, in dem Alev allein die Fäden in der Hand hält. Ada muss sich wehren, wenn die Kontrolle über sich und ihre moralische Integrität nicht verlieren will.
Außenseitertum und Einsamkeit, Adoleszenz und Gruppendynamik, Abhängigkeit und Obsession, Moral und Mitgefühl, Manipulation als Machtspiel und Sex als Waffe: Schon der Roman von Juli Zeh war – neben seiner Handlungsfülle – voller Themen, Einflüsse und Metaphern. Die Querverstrebungen reichen von Musils „Mann ohne Eigenschaften“ über Nabokovs „Ada oder Das Verlangen“ und Dostojewskijs „Schuld und Sühne“ bis zu Goethes „Faust“. Der Pakt, den Ada und Alev schließen, ist mit „mephistolisch“ treffend umschrieben.
Komprimiert auf Spielfilmlänge, wirkt dieser Themen- und Anspielungsreichtum allerdings überfrachtet und konstruiert. Regisseur Gregor Schnitzler lehnt sich sogar explizit an Nietzsche und Heraklit an; der Film endet in aller Überdeutlichkeit im griechischen Delphi, wo ein Fremdenführer das Orakel und das Problem der Erkenntnis erklärt. In dieser Vehemenz und Fülle ist „Spieltrieb“ geradezu akademisch, weil man es hier eher mit philosophischen Ideen als mit Menschen zu tun hat. Da nimmt es nicht wunder, dass die Teenager altklug daherreden. Die Fähigkeit und Intelligenz zur Intrige aber glaubt man ihnen nicht so recht; insbesondere Jannik Schümann ist mit der Rolle des dämonischen Verführers überfordert. Nur arrogant zu grinsen und sich auf das Aussehen zu verlassen, ist für die Interpretation dieser vielschichtigen Rolle zu wenig. Die interessanteste Figur ist deshalb der von Richy Müller verkörperte Geschichtslehrer, der sich durch seine körperliche Versehrtheit dem Machtspiel entzieht und somit als einzige moralische Instanz fungiert.
Über 60 Video- und Werbeclips hat Schnitzler bislang inszeniert; und auch in „Spieltrieb“ bleibt seine Bildsprache betont kühl und kontrolliert, mit einer prägnanten Tonspur und handwerklich perfekten Wechseln der Erzählgeschwindigkeit, um die Düsterkeit des Films und die Verwirrung seiner Figuren zu unterstützen. Nicht immer geht das gut, einige Szenen, etwa Adas erster Sex, sind einfach unerträglich oder, wie Alevs Impotenz, pure Behauptung. Aber vielleicht ist auch das Teil des Spiels. Und somit kalkuliert.