Die Sommerferien eines jungen Paars geraten durcheinander, als die Eltern der Frau in dem Anwesen in Südfrankreich auftauchen, deren Ehe eine schwere Belastungsprobe durchlebt. Die Lebenskrisen beider Partner werden in dem tragikomischen Feriendrama nacheinander aus der weiblichen und männlichen Perspektive erzählt. Das dramaturgisch sorgfältig durchdachte und stimmige, von vorzüglichen Darstellern getragene Arrangement leidet an einem gewissen Ungleichgewicht: Nachdem zunächst die vorübergehend verstummte Ehefrau im Zentrum einer eher banalen Liebesgeschichte steht, gewinnt der Film mit der widersprüchlichen männlichen Figur in der zweiten Hälfte an Tiefgang und Strahlkraft.
- Ab 14.
Stiller Sommer
Drama | Deutschland 2013 | 86 Minuten
Regie: Nana Neul
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- 2Pilots Filmprod./SWR/WDR
- Regie
- Nana Neul
- Buch
- Nana Neul
- Kamera
- Leah Striker · Carl Finkbeiner
- Musik
- Jörg-Martin Wagner · Henning Grambow
- Schnitt
- Isabel Meier · Dora Vajda
- Darsteller
- Dagmar Manzel (Kristine) · Ernst Stötzner (Herbert) · Victoria Trauttmansdorff (Barbara) · Marie Rosa Tietjen (Anna) · Arthur Igual (Franck)
- Länge
- 86 Minuten
- Kinostart
- 10.04.2014
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Ein dramaturgisch sorgfältig durchdachtes Ehedrama von Nena Neul
Veröffentlicht am
21.08.2014 - 00:00:00
Diskussion
Ein idyllisches Ferienhaus irgendwo in Südfrankreich. Anna verkriecht sich dort mit ihrem neuen Freund Franck, nachdem sie in ihrem Studium eine Prüfung verpatzt hat. Dann taucht Annas Mutter auf, die Kunsthistorikerin Kristine, die aus unerfindlichen Gründen vorübergehend ihre Stimme verloren hat. Später reist noch ihr Ehemann Herbert an, Annas Vater, der in dem kleinen Ort bald von traumatischen Erinnerungen eingeholt wird.
Es sind gleich mehrere schwere Proben, auf die Kristines und Herberts Ehe in diesen Sommerferien gestellt wird. Für beide entwickelt sich der Aufenthalt in Frankreich zu einem Wendepunkt ihres (Zusammen-)Lebens. Daher erscheint es geradezu folgerichtig, dass der Film von diesen richtungsweisenden Tagen gleich zweimal erzählt. Zunächst aus der Perspektive Kristines und dann, nachdem mitten im Film die Zeit noch einmal auf Anfang gestellt wird, aus Herberts Blickwinkel. So entstehen zwei Geschichten, die zu einem Film zusammenfügt werden.
Diese Erzählstränge sind nicht nur dramaturgisch miteinander verknüpft; beide greifen auch das Grundmotiv der Stille und des (Ver-)Schweigens auf, das am Ende jeweils gebrochen wird. Dieses erzählgeometrisch sorgfältig durchdachte und stimmige Arrangement leidet allerdings darunter, dass es lediglich in einem der beiden Teile mit Leben gefüllt wird. Es ist, als habe die Inszenierung von Nana Neul nur in einer der Geschichten wirklich etwas zu sagen. Klugerweise fängt sie ihren Film mit der anderen an.
Dass Kristines Stimmversagen Ausdruck einer Lebenskrise der Mittfünfzigerin ist, ahnt man schnell. Es versinnbildlicht gewissermaßen die Ruhe vor dem Sturm ihrer persönlichen erotischen Rebellion. Viel zu selten gelingt es Dagmar Manzel allerdings, sich aus dieser symbolischen Umklammerung freizuspielen. Mehr als ein selbstzufrieden wissendes Lächeln scheint ihr auch die Inszenierung zunächst nicht zuzugestehen. Mit diesem merkwürdig entrückten Gesichtsausdruck lässt Kristine sich auf eine Affäre mit Franck, dem Lover ihrer Tochter, ein. Eine gemeinsame Sprache jenseits der Worte finden die beiden nicht. Auch der Film lässt den Freiraum des Schweigens ungenutzt und inszeniert die Liebelei zwar in warmen Sommerfarben, aber ansonsten bieder und nichtssagend. Von zärtlichen Gefühlen oder wenigstens leidenschaftlichem Feuer kaum eine Spur. Dazu passt, wie stoisch Anna auf den doppelten Treuebruch von Freund und Mutter reagiert. Alles wirkt hier seltsam steril und vermittelt den Eindruck einer Reißbrettdramaturgie, in der vor allem Victoria Trauttmansdorff als Kristines schrille Freundin Barbara für komödiantische Ingredienzen sorgen soll.
Ungleich organischer und glaubwürdiger entwickelt sich dagegen die zweite Hälfte des Films, in der Herbert in den Mittelpunkt rückt, den Ernst Stötzner als einen auf faszinierende Weise widersprüchlichen Charakter verkörpert. Äußerlich korrekt und kontrolliert, brodelt etwas in ihm, das er allzu lange unterdrückt hat. Es ist die Geschichte einer heimlichen Liebe und eines tragischen Verlustes, die nach und nach ans Tageslicht kommt. Endlich passen auch die in flirrende Hitze getauchten Pinienwälder und die träge, geduldige Montage zur melancholisch schönen Handlung. Beinahe könnte man vergessen, dass von den beiden Filmen, die „Stiller Sommer“ miteinander verwebt, nur einer wirklich sehenswert ist.
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