Drama | Deutschland/Norwegen 2013 | 99 (24 B./sec.)/95 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Georg Maas

Eine einstige DDR-Bürgerin, die sich in den 1960er-Jahren von der Stasi als Agentin anwerben ließ, um unter dem Deckmantel eines NS-Opfers den norwegischen Klassenfeind auszuspähen, will im November 1990 im Archiv des ehemaligen Lebensborn-Kinderheims „Sonnenwiese“ die Namen von drei Zeugen löschen, die das echte Opfer noch gekannt haben. Durch die Recherchen eines Anwalts droht sie enttarnt zu werden. Ein spannendes, kunstvoll in Szene gesetztes Drama, das sich in seinem Zuschnitt sowohl beim Agententhriller als auch beim Melodram bedient. Dabei setzt der Film um der dramatischen Zuspitzung willen NS- und DDR-Unrecht gleich und inszeniert die Agentin vor allem als Opfer. Ihr Schicksal dient als eine Art Spiegel für die Seelenlage der sozialistischen Aufbau-Generation, doch eine feinfühlige Darstellung der Gefühle bleibt der Film schuldig. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Norwegen
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Zinnober Film/Helgeland Film/B&T Film/Degeto Film/ApolloMedia/TV2/C More Ent./FUZZ
Regie
Georg Maas
Buch
Georg Maas · Christoph Tölle · Ståle Stein Berg · Judith Kaufmann
Kamera
Judith Kaufmann
Musik
Christoph M. Kaiser · Julian Maas
Schnitt
Hansjörg Weissbrich
Darsteller
Juliane Köhler (Katrine Evensen Myrdal) · Liv Ullmann (Åse Evensen) · Sven Nordin (Bjarte Myrdal) · Ken Duken (Anwalt Sven Solbach) · Julia Bache-Wiig (Anne Myrdal)
Länge
99 (24 B.
sec.)
95 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
19.09.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Im November 1990 fährt Katrine Evensen Myrdal ins wiedervereinigte Deutschland. Angesichts der neuen politischen Verhältnisse steht ihr Glück auf dem Spiel. Sie, die mit ihrer Familie zufrieden und wohlsituiert in Norwegen lebt, soll als Zeugin für eine Wiedergutmachungsklage gewonnen werden. Mit idealistischem Ernst will ein junger, engagierter Anwalt die Schicksale norwegischer „Lebensborn“-Kinder aufklären und ihnen zur Entschädigung verhelfen. Katrine ist offenbar der einzige ihm bekannte Fall, wo Mutter und Kind wieder zueinanderfanden. Doch damit droht er die falsche Identität von Katrine aufzudecken. Denn ehedem hieß sie Vera und war eine Bürgerin der DDR, die sich in den 1960er-Jahren von der Stasi als Agentin anwerben ließ, um unter dem Deckmantel eines NS-Opfers, eben jener Katrine, den norwegischen Klassenfeind auszuspähen. Jetzt will sie im Archiv des ehemaligen Lebensborn-Kinderheims „Sonnenwiese“ die Namen der drei Zeugen löschen, welche die „echte“ Katrine noch gekannt haben. Die war seinerzeit aus der DDR geflohen, um in Norwegen ihre Mutter zu suchen – und von der Stasi umgebracht worden, da Veras gefälschte Identität auf dem Spiel stand. Regisseur Georg Maas bezieht sich mit dieser Story auf historische Begebenheiten. Eine Reportage des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ hatte darüber berichtet, dass die DDR junge Menschen als Spione verpflichtete, die während der NS-Zeit in „Lebensborn“-Heimen zur Welt gekommen oder dorthin geschafft worden waren. Man benutzte auch deren Biografien, um weitere Späher zu rekrutieren.
Durch die Art, wie das Drehbuch die Spitzeltätigkeit der Heldin motiviert, zeigt es die Täterin vor allem als Opfer eines skrupellos-totalitären Regimes. Dass sie sich in jungen Jahren als Spionin anwerben ließ, begründet der Film damit, dass die elternlose Vera selbst in einem Heim aufgewachsen ist und sich nach Zuwendung sehnte. Die Stasi nutzte ihre Bedürftigkeit aus und bot sich als Ersatzfamilie an. Mit der Zeit konnte sich Vera/Katrine aber lösen: gerade indem sie sich die Lebensgeschichte eines norwegischen Lebensborn-Kindes anverwandelte, wurde ihr wahre Mutterliebe zuteil, auf die sie nun keinesfalls mehr verzichten will.
Der Film erzählt das Schicksal seiner Heldin mit Rückblenden, welche die Natur des unterschiedlichen Filmmaterials, Körnung, Farbe und Kontrast, meisterhaft dazu nutzt, die Atmosphäre der einzelnen Zeitepochen und Schauplätze einzufangen. Überzeugend vermittelt die immer wieder auf die Hauptfigur zufahrende Kamera, wie sich die Vergangenheit unversehens an sie herandrängt. Und mit Hilfe des differenzierten, sensiblen Einsatzes von Licht entpuppt sich das häusliche Glück allzuschnell als trügerischer Schein. Immer feinmaschiger webt die Dramaturgie das Verhängnis um die Protagonistin, bis schließlich die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Vera muss Katrines Mutter schließlich gestehen, dass sie nicht ihre wirkliche Tochter ist, sondern vielmehr an deren Tod mit Schuld trägt.
Eine feinfühlige Darstellung der Gefühle, die ihre Offenbarung in der Familie auslöst, bleibt der Film allerdings schuldig. Die Inszenierung rückt die persönliche Tragödie einer Stasi-Agentin in den Mittelpunkt. Ihr Schicksal dient als eine Art Spiegel für die Seelenlage der sozialistischen Aufbau-Generation. Diese stellte sich, so kann man „Zwei Leben“ verstehen, dem skrupellosen System aus Dankbarkeit und dem Verlangen nach Zugehörigkeit zur Verfügung. Vera/Katrine kommt erst zur Einsicht, als sie ihre eigene Familie verraten und nach Kuba fliehen soll, um den Geheimdienst zu decken. Der Film lässt den Zuschauer daran Anteil nehmen, dass die Heldin ihr privates Glück nicht verteidigen kann. Als sie sich stellen will, gerät sie in aktuelle Lebensgefahr.
Damit entlastet der Film die Agentin als Täterin: Man kann nicht allein gegen einen kalten Apparat antreten. Dadurch die Zerstörung von Veras Existenz aber von den unbequemen Recherchen des Anwalts ausgeht, fragt man sich, ob „Zwei Leben“ im Ganzen nicht das Projekt der juristischen Aufklärung totalitären Unrechts in Zweifel zieht, da diese das Glück eines einzelnen, der immer auch Opfer ist, zerstört.
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