Als der charismatische Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Julian Assange, im Sommer 2010 die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten des US-Militärs und des amerikanischen Außenministeriums ankündigte, löste er Entrüstungsstürme wie Jubel aus. Die amerikanische Diplomatie und Militärpolitik würden plötzlich nackt auf dem elektronischen Präsentierteller liegen, freuten sich manche, andere bejubelten die Demokratisierung der Information. Die Aktion löste aber auch heftige Debatten über Verantwortung und die Ethik der Medien und insbesondere des Enthüllungsjournalismus in Zeiten des Internets aus, auch die Frage, ob man jedes Dokument, jede Nachricht und jedes Geheimnis veröffentlichen darf.
Der Titel des Films stammt aber nicht von militanten Netzaktivisten, sondern von Michael Hayden, einem ehemaligen CIA-Direktor. An ihm wird der Grundkonflikt des 130-minütigen Dokumentarfilms deutlich: Während offizielle Geheimdienste wie die CIA für den permanente Geheimnisdiebstahl ausgezeichnet werden, droht normalen Bürger dafür die Todesstrafe.
„We Steal Secrets“ erzählt die Geschichte der Enthüllungsplattform anhand ihrer beiden wichtigsten Protagonisten: dem Australier Julian Assange, der momentan in der ecuadorianischen Botschaft in London Exil gefunden hat, und seinem wichtigsten Informanten, den Gefreiten Bradley Manning, der als Geheimdienst-Analytiker im Irak das Material an WikiLeaks weitergab. Manning flog auf, weil ihn ein befreundeter Hacker, dem er von seinem Daten-Diebstahl erzählt hatte, verriet.
Was zunächst wie ein Kampf von David und Goliath wirkt, wie der Aufstand der Transparenz gegen die dunkle Geheimniskrämerei der Mächtigen, wird im Laufe des Films selbst zu einem tückischen Netz aus persönlichen Verletzungen, verschrobener Staatsräson und rücksichtslosem Geltungsdrang. Regisseur Alex Gibney hat als Filmemacher wiederholt „heiße Eisen“ der amerikanischen Politik angepackt, etwa den Enron-Skandal
(fd 37 994), die Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten in Afghanistan oder den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Jetzt erzählt er nicht nur die Geschichte der Internet-Plattform und ihrer Protagonisten, sondern auch von den internen Differenzen. So erklärt Daniel Domscheit-Berg, einer der ehemaligen WikiLeaks-Sprecher, dass die Plattform an Symptomen leide, die sie selbst bekämpfe; Transparenz und demokratische Werte seien zugunsten einer auf Assange zugeschnittenen hermetischen Geheimgesellschaft geopfert worden.
Mit zahlreichen Interviews, unter anderem mit der isländischen Parlamentsabgeordneten Birgitta Jónsdóttir, dem Journalisten James Ball und vielen Archivmaterialien zeichnet der Film den Weg der Plattform nach, vom Skandal um den Zusammenbruch der isländischen Kaupthing Bank über die Veröffentlichungen der US-Geheimakten bis hin zur Verhaftung Assanges wegen Vergewaltigung und dem Prozess gegen Manning vor einem US-Militärgericht inklusive der weltweiten Proteste von Wikileaks-Anhängern.
In der Montage der Archivmaterialien und der Interviews erzeugt der Film selbst eine Art unendlichen digitalen Raum, visualisiert die Metapher Internet als Netz miteinander verlinkter Ereignisse. Ein äußerst unterhaltsamer Film, der ein Stück Zeitgeschichte als undurchdringliches Geflecht aus Lüge, Wahrheit und finsteren Verschwörungstheorien präsentiert.