Wer sich eine Kombination aus James-Cagney-Filmen und „Winter’s Bone“
(fd 40 384) vorstellen kann, kommt den Eigentümlichkeiten von John Hillcoats „Lawless“ ziemlich nahe. Und wer sich dazu noch auf Spurensuche im bisherigen Schaffen des heute 51-jährigen australischen Regisseurs John Hillcoat begibt, findet sowohl Elemente des harten und nüchternen Westerns „The Proposition“
(fd 38 310) als auch des postapokalyptischen „The Road“
(fd 40 075). Hillcoats Filme besitzen einen unverkennbaren eigenen Stil, und die Geschichten, die er erzählt, folgen einer unverwechselbaren Vorliebe für Charaktere und Situationen, die bis auf das existenzielle Minimum reduziert sind. Teils historische Beschreibung der Prohibitionszeit, teils genrebewusstes Action-Drama, verweilt „Lawless“ nicht lange bei den sattsam bekannten Großstadt-Gangstern, sondern schlägt sich zu den „bootleggers“ in Virginia durch, die den Bedarf nach illegalem Alkohol mit Selbstgebranntem decken. Die Bondurant Brothers, die der Autor einem biografischen Roman („The Wettest County in the World“ von Matt Bondurant) entlehnt hat, sind ein Haufen ungebildeter Hinterwäldler, die in ihrer Naivität in einen Krieg verwickelt werden, dessen Radikalität weit über ihre Vorstellungskraft hinausgeht. Zwei kleine romantische Nebenhandlungen deuten an, wie das Leben für die drei Brüder und ihre Kumpane hätte aussehen können, wären allein Armut und Rückständigkeit bestimmend geblieben. Doch je mehr sie in die „moonshine wars“ der Prohibition verwickelt werden, umso mehr müssen sie beweisen, dass sie tatsächlich so unbesiegbar sind, wie sie sich in ihrer angeberischen Attitüde darstellen.
Das Virginia der frühen 1930er-Jahre entpuppt sich rasch als Hillcoat-Country: heruntergekommen und dreckig, seit Jahrzehnten in Armut verstrickt, Brutstätte für Analphabetismus (man höre das rudimentäre Englisch in der Originalfassung!), Neid und Brutalität. Hillcoat reißt die schmutzigen Gestalten immer wieder in die Großaufnahme, aber ohne jede Spur von Mitleid oder Geringschätzung, und lässt die sonst in Filmen so pittoreske Landschaft in düsteren, braunen Farben ersticken. Er schafft eine Atmosphäre der Oppression und der geradezu schicksalhaften Unausweichlichkeit, die zum Nährboden einer brutalen Auseinandersetzung wird, als Abgesandte der Großstadt-Gangster und vor allem ein korrupter Lawman auftauchen. Während sich die Rivalen gegenseitig die Kehle durchschneiden oder sich mit Kugeln durchsieben, hört man im Hintergrund eine distanzierend reproduzierte Mixtur aus Bluegrass, Folk Rock und Protopunk. Sie trägt nicht unerheblich dazu bei, die brutale Story gelegentlich mit wohltuenden Tönen von leiser Ironie und Kontemplation zu versehen. Trotz solcher Qualitäten leidet der Film darunter, dass er sich immer wieder von seinen zahllosen Vorbildern unterscheiden will und dabei oft das Maß verliert, das ihn zu etwas Besonderem hätte machen können.