Die Lebensgeschichte und Karriere des Boxers Johann "Rukeli" Trollmann (1907-1944), der 1933 die deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht gewann, den Titel aber in Folge seiner Sinti-Abstammung wieder aberkannt bekam. Im Krieg kämpfte er an der Ostfront, wo er verwundet wurde; später landete er im KZ und wurde 1944 von einem Kapo erschlagen. Eine bewegende Geschichte, erzählt in Form eines Doku-Dramas, das bei allen inszenatorischen Schwächen eindrucksvoll an einen großen Sportler erinnert, der das Boxen stilistisch entscheidend geprägt hat.
- Ab 14.
Gibsy - Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann
Biopic | Deutschland 2012 | 90 Minuten
Regie: Eike Besuden
Kommentieren
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Pinguin Studios/NDR
- Regie
- Eike Besuden
- Buch
- Eike Besuden
- Kamera
- André Krüger
- Musik
- Fabian Teichmann
- Schnitt
- Fabian Teichmann
- Darsteller
- Hannes Wegener (Johann Rukeli Trollmann) · Hannelore Elsner (Friederike Trollmann) · Frank Auerbach (Ernst Zirzow) · Erik Roßbander (Karl Leyendecker) · Ramin Yazdani (Schnipplo Trollmann)
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- 17.01.2013
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Biopic | Boxerfilm
Diskussion
In den 1920er-Jahren begeisterte der Hannoveraner Halbschwergewichtsboxer Johann „Rukeli“ Trollmann die deutsche Sportwelt. Es waren nicht nur seine zahlreichen Siege, die ihm die Herzen der Fans zufliegen ließen, es war auch sein für die damalige Zeit ungewöhnlicher Kampfstil: Er tänzelte durch den Ring, beeindruckte durch Schnelligkeit und Beinarbeit und pendelte die gegnerischen Schläge meistens aus. Ein Stil, der sich bei späteren Box-Generationen durchsetzte. Ein Ausnahme-Boxer, der im Rausch seiner Erfolge glaubte, seine Sinti-Herkunft hinter sich lassen zu können. Die Schreibweise seines Kampfnamens „Gibsy“, der auch seine goldenen Shorts zierte, ist wohl einer familiären Schreib- und Leseschwäche geschuldet. Trollmann musste zwar gegen die üblichen Vorurteile ankämpfen, doch seine Kampfbilanz stärkte ihm den Rücken und schuf das notwendige Selbstbewusstsein. Ab 1928 wendete sich das Blatt. Trotz seiner Siege wurde er nicht in den Kader der Olympia-Mannschaft für Amsterdam berufen; den Nazis war er ein Dorn im Auge. 1933 konnte er sich zwar durch einen Punktsieg den Titel des Deutschen Meisters sichern, doch nach einer Intervention des Sportministers wurde der Kampf nicht gewertet. Der massive Protest des Publikums sicherte ihm dann doch den Titel, doch wurde er ihm eine Woche später wegen unsportlichen Verhaltens wieder aberkannt. Seine letzte boxerische Chance erhielt Rukeli im Juli 1933, als er gegen Gustav Eder antrat – ein Kampf, der als Demonstration arischer Überlegenheit inszeniert war und zur Farce geriet. Der körperlich größere Trollmann durfte seine Reichweiten-Vorteile nicht nutzen und wurde zum „würdigen“ Kampf „Fuß an Fuß“ verpflichtet. Aus Protest und zum Zeichen seiner Unbeugsamkeit stieg er als „arischer“ Boxer in den Ring: die Haare weiß gefärbt, die Haut durch Puder aufgehellt; die Karikatur eines Ariers, der in der fünften Runde verlor. Es folgten Rückzug ins Privatleben, die Ehe mit einer Deutschen und Scheidung auf Grund der Rassegesetze, Gelegenheitsjobs und der Einsatz im Russland-Feldzug, durch den sich Rukeli als „guter Deutscher“ auf der sicheren Seite wähnte. Nach einer Verwundung kehrte er nach Hannover zurück, wurde verhaftet und ins KZ Neuengamme verschleppt, wo er der SS-Mannschaft als Boxtrainer und lebender Punching-Ball zur Verfügung stehen musste. Völlig entkräftet, retteten ihn Mithäftlinge, die seinen Tod vortäuschten und eine Verlegung ins Außenlager Wittenberge organisierten. Doch auch hier wurde er als der Boxer Rukeli erkannt. Nach einem Kampf mit einem Kapo, bei dem er diesen niederstreckte, wurde er von diesem mit einem Knüppel erschlagen.
„Gibsy“ ist eine Biografie, mit der Eike Besuden keinesfalls den Vorbildern großer Box-Filme nacheifern will – im Vergleich etwa mit Scorseses „Wie ein wilder Stier“ (fd 22 856) tun sich inszenatorisch und darstellerisch Welten auf –, vielmehr ein Leben nahe bringt, das nicht nur im Boxring von Mut und (Zivil)-Courage zeugt. Da es kaum dokumentarische Aufnahmen des Boxers Trollmann gibt, lag die Form eines Doku-Dramas (mit all ihren Schwächen) wohl nahe; so wechseln schwarz-weiße Originalaufnahmen mit mehr oder weniger eindringlichen Spielszenen und Interviews mit Zeitzeugen, u.a. den Neffen des 1944 erschlagenen Boxers, die Rukeli in liebvoller Erinnerung haben. Die Verbindung des Themas „Boxen“ geht mitunter mit pädagogisch-belehrendem Zeigefinger einher; gleichwohl überzeugt der Film als ein Lehrstück über Zivilcourage. Im (Zerr-)Spiegel der Sport- und Propagandapolitik im Dritten Reich wird an einen charismatischen Menschen erinnert, dem es nicht geben war, seine Rolle in den Umbrüchen der Zeit richtig einzuschätzen; ein tragisches Schicksal, das sich vielen Schlachten gestellt, doch die entscheidende verloren hat.
Kommentar verfassen