Holidays by the Sea

Komödie | Frankreich 2011 | 76 Minuten

Regie: Pascal Rabaté

Urlauber unterschiedlichster Wesensart reisen mit ihren Eigenheiten und Schrullen im Gepäck ans Meer. Fast alle befinden sich in Liebesbeziehungen, für die die Ferien zum romantischen Höhepunkt oder zur Zerreißprobe werden. Eine Komödie, die mit Übertreibung, Slapstick und schwarzem Humor aus alltäglichen Typen tragikomische Gestalten macht und liebevoll menschlichen Schwächen in der Tradition von Jacques Tatis "Die Ferien des Monsieur Hulot" nachspürt. Dabei setzt sie weniger auf Dialoge als auf ein ausdrucksstarkes Sounddesign, auf das Schauspiel sowie eine pointierte Inszenierung der Figuren im Bildraum. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
NI À VENDRE NI À LOUER
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Loin Derrière L'Oural
Regie
Pascal Rabaté
Buch
Pascal Rabaté
Kamera
Benoît Chamaillard
Musik
Alain Pewzner
Schnitt
Jean-François Elie
Darsteller
Jacques Gamblin (Monsieur Drachensteiger) · Maria de Medeiros (Madame Halskette) · François Damiens (Monsieur Erdbeere) · François Morel (Zeltmann) · Dominique Pinon (Wohnwagenmann)
Länge
76 Minuten
Kinostart
05.07.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Komödie
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Diskussion
Ein winziges Auto, ein beschaulicher Strandort an der französischen Atlantikküste und ein paar kleine Leute: Die Szenerie erinnert nicht nur an „Die Ferien des Monsieur Hulot“ (fd 24 596), sie wirkt, als ob Jacques Tatis ungelenker Protagonist gleich um die Ecke böge. Mit „Holidays by the Sea“ hat sich Pascal Rabaté einen Traum erfüllt: Pures Kino wollte der vor allem als Comic-Zeichner bekannte Regisseur in seinem dritten Spielfilm (u.a. „Les petits Ruisseaux“, 2010) schaffen und hauptsächlich mit audiovisuellen Mitteln erzählen, wie es Tati in seinen „Hulot“-Filmen tat. Mit deren Ästhetik und Humor vor Augen schickt Rabaté nun seine Urlauberkolonne Richtung Meer. Die Hommage beginnt bereits auf dem Hinweg – und auch die zeitgenössische Interpretation des berühmten Stoffs. Mitten im von Industriebauten und Straßen durchorganisierten Niemandsland behindert ein absurd langsames Elektroauto den Verkehrsfluss. Einen Monsieur Hulot, der als Sandkorn im Getriebe aus der Masse hervorsticht, sucht man aber vergebens, im Gegenteil: Das ältere Paar, das sich im Kleinstwagen zusammenpresst, ist nur eines von vielen. Eine Hauptfigur gibt es nicht, dafür jede Menge (Stereo-)Typen als Reigen aus Individualtouristen: Golfer, Camper, Sadomasochisten, Punker, Drachensteiger, Ehebrecher, Nudisten, Teenager, einsame Herzen. Fast alle, und das ist im Wesentlichen das Thema, befinden sich in unterschiedlichen Stadien einer Paarbeziehung, die in Episoden vom Suchen, Stagnieren, Verlieren und Finden der Liebe durchdekliniert werden. Der Urlaub stellt den romantischen Höhepunkt oder die Zerreißprobe dar. Rabaté nimmt, wie einst Tati, speziell menschliche Schrullen ins Visier, die auf den touristischen Schaubühnen Strand, Hotel und Campingplatz noch deutlicher hervortreten. Selbstredend geht es darum, das Konzept Ferien an sich unter die Lupe zu nehmen und zu untersuchen, was seit Monsieur Hulot daraus geworden ist. Mit Übertreibung, Slapstick und schwarzem Humor macht Rabaté aus den unscheinbarsten Figuren tragikomische Gestalten. Die unbeholfene Art, einen Drachen steigen zu lassen, wird zum burlesken Spektakel, der militärische Drill eines Familienvaters zur Lachnummer und die um Zärtlichkeit buhlende Frau, deren Mann nur noch Augen für die Angebote im Baumarkt hat, zur Karikatur eines ehelichen Aneinander-vorbei-Lebens. Seinem berühmten Vorbild ebenfalls nachempfunden ist, dass Rabaté der Klang des Films wichtiger ist als die Dialoge. Mit audiovisuellen Mitteln zu erzählen, heißt in seinem Fall sogar, auf Gesprochenes nahezu ganz zu verzichten. Angesichts dieser Stummheit wirken die reichlich eingesetzten Musiken und Geräuscheffekte, die an die im Comic typischen Lautmalereien erinnern, umso eindringlicher und pointierter. Auch das Verhalten der Figuren im Raum ist wohl überlegt und stets amüsant anzusehen: Grotesk geometrische Bewegungskurven sind Programm, Gestik und Mimik sparsam, aber überdeutlich. Diese formale Strenge steht fast im Widerspruch zur verspielten Leichtigkeit, die „Die Ferien des Monsieur Hulot“ ausstrahlt. Man kann Rabatés Art zu inszenieren forciert finden, sie passt aber: Während Tati wie beiläufig den Wahnsinn im Normalen aufdeckt, schafft Rabaté schräge Situationen, sodass selbst der spießigste Wohnwagen-Besitzer zum Exzentriker wird. An die Stelle von Tatis Urlaubergemeinschaft treten Einzelpersonen, die oft nur dann Kontakt aufnehmen, wenn ein Unwetter droht oder ein Liebesabenteuer lockt. Das Ich hat im Hier und Heute an Bedeutung gewonnen, ein Wir gibt es kaum mehr, geschweige denn einen, der eingefahrene Mechanismen mit Persönlichkeit sabotiert. Nicht einmal das wild campierende Punker-Pärchen stört die Abläufe. Monsieur Hulot hat eine Lücke hinterlassen.
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