Small Town Murder Songs

Thriller | Kanada 2010 | 78 (24 B./sec.)/75 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Ed Gass-Donnelly

In einer Kleinstadt wird eine Leiche entdeckt. Ein Kommissar aus der Großstadt soll die Ermittlungen übernehmen, doch auch ein Polizist aus dem Ort ist an dem Fall dran, berührt dieser doch auch sein Privatleben. Dabei arbeitet sich der Cop nicht nur an dem Fall ab, sondern auch an seinem Jähzorn. Raffinierter Thriller, der den Fokus auf die "inneren Dämonen" der Hauptfigur richtet. Mit seiner konzentrierten Inszenierung sowie einer entschleunigten, elliptischen Erzählweise erzeugt der Film große Spannung, nicht zuletzt auch, weil er geschickt mit den Erwartungen des Publikums spielt. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SMALL TOWN MURDER SONGS
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
3 Legged Dog Films/Resolute FIlms and Ent.
Regie
Ed Gass-Donnelly
Buch
Ed Gass-Donnelly
Kamera
Brendan Steacy
Musik
Bruce Peninsula
Schnitt
Ed Gass-Donnelly
Darsteller
Jill Hennessy (Rita) · Amy Rutherford (Ava) · Peter Stormare (Walter) · Vladimir Bondarenko (Deacon) · Stephen Eric McIntyre (Steve)
Länge
78 (24 B.
sec.)
75 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
28.06.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Lighthouse (16:9, 2.35:1, DD2.0 engl.)
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Diskussion
„Small Town Murder Songs“ variiert Elemente, die einem alle aus dem Thriller-Genre vertraut sind: einen Leichenfund, der eine verschlafene Kleinstadt aufschreckt; ein Kommissar, der für die Ermittlungen aus der Großstadt anreist; ein lokaler Cop, der den Fall selbst lösen will, obwohl er mit Mord keine Erfahrung hat. Sehr ungewöhnlich ist dagegen, was der kanadische Indiefilm mit diesen wohlbekannten Versatzstücken macht: Zum einen errichtet er auf dem einfachen Handlungsfundament einen bedeutungsschweren Überbau, der sich mittelbar aus der „Back Story“ des Protagonisten, des Kleinstadtpolizisten Walter, ergibt: Ihn verband mit der Frau, die den Leichenfund anonym gemeldet hat, eine leidenschaftliche Affäre, was ein Grund dafür sein mag, warum er den Fokus der Ermittlungen auf Ritas aktuellen Lover lenkt, einen widerlichen Nichtsnutz. Zum anderen deutet sich an, dass ein Gewaltausbruch Walters den Anlass zu Ritas privatem Schlussstrich bot – was tief blicken lässt, weil diese Frau durchaus hart gesotten wirkt. Dass Walter sich nicht im Griff hat, ist offenbar auch der Grund, warum seine Familie und ein Großteil der aus Mennoniten bestehenden lokalen Bevölkerung demonstrativ Abstand zu ihm halten. Mit dieser strengen Glaubensrichtung ist schließlich das eigentliche Thema dieses Thrillers verbunden: Walter wird mit einer Szene eingeführt, die zeigt, wie er gerade getauft und im Sinne der evangelikalen Glaubensauslegung „wiedergeboren“ wird. Später zeigt Regisseur Ed Gass-Donnelly seine Hauptfigur im Zwiegespräch mit Gott beziehungsweise mit seinem Pastor, der ihm mit den Worten ins Gewissen redet: „Du kannst nicht ändern, wer du bist, aber du kannst gegen deine finsteren Impulse ankämpfen.“ Die Frage, die Gass-Donnellys Dramaturgie aufwirft, gilt denn auch weniger der Identität des Mörders als der Selbstbeherrschung des Protagonisten: Wird dieser wortkarge Mann, der stets etwas behäbig wirkt, irgendwann explodieren? Es geht, mit anderen Worten um nichts Geringeres als um Walters Seelenheil. Das wird dadurch betont, dass in Großbuchstaben regelmäßig Bibelzitate auf der Leinwand erscheinen und Songs der kanadischen Indie-Band Bruce Peninsula die Handlung gliedern, die in ihrer Mischung aus vielstimmigem Gospel, Folk und perkussivem Rock die Inbrunst evangelikaler Frömmelei evozieren. Im Kontrast zur plakativen Wucht dieser Texteinblendungen und Musikeinspielungen steht indes eine Inszenierung, die sich auf Andeutungen beschränkt und den statischen Charakter der Breitwandbilder betont. Wenn sich die Kamera bewegt, dann geschieht dies oft in dezenter Zeitlupe wie in der Anfangsszene, die, ohne dass man es ahnt, auf Walters Gewaltexzess verweist, auf den die elliptische Handlung später nur kurz zurückblendet. Zeitlupe prägt auch die schönste Szene des Films, in der Walter das Bellen eines Hundes nicht mehr aushält und zu einem Knüppel greift. Dabei beweist der überraschende Ausgang, wie geschickt Gass-Donnelly in seinem zweiten Spielfilm die Erwartungen des Publikums steuert, was umso beachtlicher ist, als sein Drehbuch konsequent auf falsche Fährten und Ablenkungsmanöver verzichtet. Darin besteht die zweite Eigenheit des Films im Umgang mit den anfangs skizzierten Genre-Versatzstücken: dass er ihnen auf der Ebene des eigentlichen Thrillerplots praktisch nichts hinzufügt. Zur Handlung kann man kaum ein weiteres Wort verlieren, ohne damit den Schluss zu verraten. Dieser kommt denn auch an einem Punkt der Handlung, an dem im Normalfall erst der dritte Akt, samt dramatischem Höhepunkt, begänne. Das wirkt zunächst enttäuschend; doch dann wird einem schnell bewusst, welche formale Meisterschaft diese eigenwillige Mischung aus wuchtiger thematischer Überhöhung und spröder narrativer Kondensation beweist.
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