Auch der neue Film von Hendrik Handloegten („Paul is Dead“, 1999, „Liegen lernen“, fd 36 117) scheint ein weiteres Indiz für das neu erwachte Interesse des deutschen Films am Genre zu sein. Die Geschichte selbst ist nicht sonderlich originell, wird hier doch nur ein weiteres Mal die immergrüne Frage nach Schicksal und Kontingenz variiert. Wie in „Time Tunnel“ (1966/67), „Und täglich grüßt das Murmeltier“
(fd 30 169), „Final Destination“
(fd 34 441) oder „Source Code“
(fd 40 465) geht es um die Spannung, die entsteht, wenn man als Akteur bereits um den weiteren Handlungsverlauf weiß und übermütig (oder auch naiv) untersucht, was wohl passiert, wenn man das Schicksal selbst in die Hand nähme. Darf man in den Lauf der Geschichte eingreifen? Und falls ja, mit welchen Konsequenzen muss man rechnen?
Die Übersetzerin Juliane erlebt eine wunderschöne Liebesgeschichte mit August im sommerlichen Finnland, doch dann erwacht sie im frostigen Berlin, wo sie mit dem nicht gerade sympathischen Philipp privat wie beruflich liiert ist. Wenn es tatsächlich nur ein Traum war, den Juliane mit August in Finnland erlebt hat, dann besaß er eine außergewöhnliche Intensität. Jetzt jedenfalls hat sie der bleierne Alltag mit einer Beziehung wieder, von der sie schon weiß, dass hier nichts mehr zu retten sein wird. Einzige Lichtblicke in der Berliner Tristesse sind ihre quirlige, sich nach einer Beziehung sehnende und dafür einige Risiken eingehende Freundin Emily und deren aufgeweckter Sohn Otto. Doch dann begegnet Juliane eines Tages zufällig auf der Straße August, der sie jedoch nicht zu kennen scheint. Vor das große Glück hat das Schicksal allerdings eine Katastrophe gesetzt: Erinnerungsfragmente versetzen die Handlung, machen sie (etwas) undurchsichtig. Juliane scheint, zurück aus der Zukunft, über ein Wissen jener Zukunft zu verfügen. Sie weiß, was kommen wird, aber dieses Wissen raubt ihr fast den Verstand, weil sie fürchtet, dass schon kleinste Veränderungen enorme Konsequenzen haben können. Schließlich will sie wieder mit August im finnischen Sommer landen, und an manche Kleinigkeiten erinnert man sich einfach nicht mehr so richtig.
Die Hände in den Schoß legen und auf die Stunde der Begegnung mit dem Geliebten warten, widerspricht allerdings der Logik der Dinge. Und dann ist die Liebe ja auch noch untrennbar mit dem Schmerz verbunden. Auch den könnte man verhindern, wenn man in den Lauf der Dinge eingriffe. Dieses problematische filmische Jonglieren mit mehreren Realitätsebenen gelingt Handloegten mittels der prägnanten Farbdramaturgie seines Kameramannes Peter Przybylisk und der feinen Montagekunst von Elena Bromund erstaunlich souverän. Allerdings hat sich der Filmemacher mit Nina Hoss, Fritzi Haberlandt, Mark Waschke und Lars Eidinger auch der Kunstfertigkeit einer prominenten Darstellerriege versichert, wenngleich nicht ganz klar wird, warum Lars Eidinger hier so sinister und wenig liebenswert erscheint und Nina Hoss erstmals im Kino an die Grenzen ihrer Darstellungskraft kommt. Eine weitere Trumpfkarte besitzt „Fenster zum Sommer“ in Lasse Stadelmann, der Emilys Sohn Otto spielt und der verzweifelten Juliane einmal gar nicht altklug den Rat gibt, sie könne bis zum entscheidenden Augenblick doch tun, was sie wolle. Nur im entscheidenden Moment müsse man dann eben das Richtige tun, damit sich die Dinge in ihrem Sinne fügen. Allerdings verlangt dieser Moment von Juliane dann, dass sie sich entscheidet: für das Leben und gegen die Liebe. Juliane entscheidet selbstlos und wird sofort vom Schicksal verhöhnt.
Welchen Verlauf der Film auf der Zielgeraden nimmt, soll hier nicht verraten werden. Nur so viel: Die vom Schicksal gebeutelte Juliane scheint derart belastet, dass es psychologisch sogar nachvollziehbar wäre, wenn sie ihr Anrecht auf Glück in den Wind schlüge. Doch am Schluss ist sie es, die wie einst Udo Lindenberg den Daumen im Wind hält. Wie gesagt: Nichts an dieser Geschichte ist originell, überzeugend aber sind die Leistungen der Profis vor und hinter der Kamera, die diese handwerklich souverän und prägnant in Szene setzen. Genrekino, made in Germany, selten geglückt, hier jedoch schon. Wenngleich als Kraftakt, denn der Filmemacher hat fünf Jahre an „Fenster zum Sommer“ gearbeitet.