Bombay Diaries

- | Indien 2010 | 100 Minuten

Regie: Kiran Rao

Im Wäscherei-Viertel von Mumbai kreuzen sich die Wege von vier Personen: Ein Wäscher verliebt sich in eine indischstämmige Amerikanerin, die sich ihrerseits für einen Maler interessiert, der das Videotagebuch einer jungen Frau in seinen Bildern verarbeitet. Das collagenhafte Konzept aus „amateurhaften“ Videoaufnahmen, kunstvollen Schwarz-Weiß-Fotografien, Malerei und intellektuellem Erzählkino funktioniert nur so lange, wie die Inszenierung den melancholisch-poetischen Grundton einer unerfüllbaren Liebe trifft. Der Film scheitert jedoch mit seiner Kritik am Kastensystem, weil dramaturgische Unzulänglichkeiten und schauspielerische Eitelkeiten im Wege stehen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DHOBI GHAT (MUMBAI DIARIES)
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Aamir Khan Prod.
Regie
Kiran Rao
Buch
Kiran Rao
Kamera
Tushar Kanti Ray
Musik
Gustavo Santaolalla
Schnitt
Nishant Radhakrishnan
Darsteller
Aamir Khan (Arun) · Monica Dogra (Shai) · Kriti Malhotra (Yasmin) · Prateik Babbar (Munna) · Aasha Pawar (Latabai)
Länge
100 Minuten
Kinostart
29.09.2011
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Diskussion
Jahrzehntelang prägten die in die Programmkino-Nischen verbannten Filmkunstwerke eines Satyajit Ray oder Mrinal Sen unser Bild vom indischen Kino, bis Regisseurinnen wie Mira Nair die Wahrnehmung um erste Mainstream-Elemente erweiterten. Anfang des neuen Jahrtausends eroberten dann die aufwändigen Bollywood-Produktionen mit ihren Tanz- und Gesangseinlagen ein meist junges (DVD-)Publikum. Natürlich entstanden in Indien stets auch „unabhängige“ Produktionen, die allerdings selbst auf dem Subkontinent häufig nicht über die von den Sprachbarrieren diktierten regionalen Grenzen hinaus bekannt wurden. „Bombay Diaries“ kann man deshalb als innerindisches Experiment verstehen, solche Hindernisse zu überwinden. Garant für das Gelingen dieses Spagats ist der neben Shahrukh Khan wohl beliebteste Star des indischen Films, Aamir Khan, der nicht nur die Hauptrolle übernommen, sondern als Produzent die Regie seiner Frau Kiran Rao übertragen hat. Vier Personen und die Stadt Bombay/Mumbai stehen im Mittelpunkt der episodenhaft angelegten Geschichte, was im Originaltitel noch präzisiert wird: „Dhobi Ghat“ ist das Wäscherei-Viertel von Mumbai, in dem der Wäscher Munna sein bescheidenes Auskommen hat. Tagsüber träumt er davon, ein berühmter Bollywood-Star zu werden, nachts verdient er sich als Rattenjäger ein Zubrot. Durch Zufall kreuzt er den Weg der indisch-stämmigen US-Investmentbankerin Shai, die als Hobbyfotografin die Heimat ihrer Eltern erkunden will. Munna zeigt ihr die Stadt und ermöglicht ihr eine Reportage über die Menschen in Dhobi Ghat; sie revanchiert sich mit Castingfotos für seine Bollywood-Bewerbung. Der schüchterne Munna verliebt sich in Shai, traut sich aber nicht, seine Gefühle zu zeigen, zumal er eines Tages entdeckt, dass sie sich zu einem seiner Kunden, dem Maler Arun, hingezogen fühlt. Arun hatte Shai auf einer Vernissage kennengelernt, sie aber nach einer gemeinsamen Nacht wieder verlassen, weil er sich nach der Trennung von seiner Familie noch nicht reif für eine neue Beziehung fühlte. Arun zieht nach Dhobi Ghat, wo er in der Wohnung seiner Vormieterin „geschönte“ Video-Tagebücher findet, die er die in seinen Bildern verarbeitet und darüber gleichzeitig sein Seelenleben sortiert. Am Ende scheinen zwei Lösungen möglich. Während man lange auf ein das Kasten-Unwesen ignorierendes Happy End hofft, entscheidet sich Kiran Rao, von der auch das Drehbuch stammt, der Realität zuliebe, die gesellschaftlichen Schwellen doch nicht zu übertreten. Allerdings entlässt sie mit einem der berührendsten Liebesbeweise des gegenwärtigen Kinos: Als Munna die Aussichtslosigkeit seines Begehrens erkennt, steckt er Shai die neue Adresse Aruns zu. Immer dann, wenn Rao diesen melancholisch-poetischen Grundton trifft, den der Hauptdarsteller Prateik Babbar kongenial umsetzt, glänzt der Film als Liebeserklärung an den Stadtteil und seine Bewohner. Wenn die zitternde Handkamera oder verwackelte Zooms allerdings Authentizität vortäuschen, dann wirkt das „Dokumentarische“ ziemlich aufgesetzt und strahlt nur in seltenen Momenten eine Nähe zur Wirklichkeit aus. Unausgereift erscheint auch das Konzept einer collagenhaften Inszenierung, in der „amateurhafte“ Videoaufnahmen, kunstvolle Schwarz-Weiß-Fotografien, Malerei und intellektuelles Erzählkino nach ihrem Zusammenhalt suchen. Eine dramatische Sequenz um Munnas dealenden Freund wirkt beispielsweise nicht auserzählt, während Aruns Selbstfindungsprozess, der als Parallelhandlung zu Munnas und Shais Begegnungen entwickelt wird, wegen der manirierten Darstellung Aamir Khans keinerlei emotionale Kraft ausstrahlt. Sein überzogenes „Method Acting“ lenkt zudem vom Subtext des Filmes ab, der die Kunst stellvertretend als Privileg wohlhabender Kasten zeichnet, zu der die Unterschicht keinen Zugang hat. Ihr bleiben die unerfüllbaren Träume – und dem westlichen Publikum ein Blick auf ein „neues“ indisches Kino, dass auf der Suche nach der eigenen Identität ist.
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