Anwälte haben das Rückgrat für Legionen von Hollywood-Filmen abgegeben: schleimige Verteidiger der Unterwelt und geldgierige Haie im Komplott mit den Superreichen, seltener rechtschaffene Stützen der Gesellschaft und Helfer der zu Unrecht Verfolgten. Mick Haller, der Anwalt in „The Lincoln Lawyer“ (so der viel zutreffendere Originaltitel), hat ein bisschen von allen. Er verdankt seine Existenz einem Bestseller von Michael Connelly, einem zum Schriftsteller gewordenen Gerichtsreporter, dessen populäre Geschichten entfernt nach Raymond Chandler schmecken, aber sorgsam an Connellys Kenntnis des Los Angeles der letzten drei Jahrzehnte orientiert sind. Der Film, den Brad Furman („The Take“, fd 37 819) aus dieser Vorlage gefertigt hat, rafft die umfangreiche, ein wenig überkonstruierte Story des Buchs geschickt zusammen, bescheidet sich aber nicht mit einer bloßen Nacherzählung, sondern bringt sorgfältig dosierte Elemente filmischer Vorbilder vom Film noir bis zu Sidney Lumets „The Verdict“
(fd 23 947) mit ein. Früher hätte man das einen soliden Kriminalfilm genannt, heute genießt es Seltenheitswert.
Mick ist nicht Partner in einer der vielen, mit zahlreichen Namen dekorierten Anwaltsfirmen, die überall in den reichen Enklaven von Los Angeles ganze Hochhausetagen okkupieren; er hat nicht einmal eine eigene Praxis, ein Vorzimmer oder eine jener nach Magazin-Vorbildern modellierten Sekretärinnen. Micks Büro besteht aus dem Rücksitz eines großen, pechschwarzen Straßenkreuzers, dem Lincoln des Originaltitels, dessen teures Image ihm den Anschein des gut situierten Anwalts verleiht, aber ebenso an das Auftreten klassischer amerikanischer Gangsterbosse erinnert. So wie diese Limousine Mick von Anfang an definiert, ohne dass es vieler Worte bedarf, so lakonisch werden auch alle anderen Figuren eingeführt: Micks geschiedene Frau, die für die Staatsanwaltschaft arbeitet, mit der ihn aber nicht nur ein gemeinsames Kind, sondern eine ungebrochene Sympathie verbindet; der verzogene Sohn eines Immobilien-Tycoons, der in die Mühlen der Justiz gerät; und der etwas schäbige Privatdetektiv, der nicht nur für Informationen, sondern auch für den ein oder anderen Freundschaftsdienst gut ist. Louis Roulet, besagter Immobilienspross, ist in böse Bedrängnis geraten. Er wird beschuldigt, eine Prostituierte grün und blau geschlagen zu haben. Mick wundert sich, dass wohlhabende Leute wie die Roulets bei ihm Zuflucht suchen, aber er lässt sich die fette Beute nicht entgehen. Er packt den Fall an, wie er alle Fälle anpackt: indem er seine Helfershelfer Material zusammentragen lässt. Rasch beginnt er zu ahnen, dass Louis Roulet wohl kaum so unschuldig ist, wie er vorgibt. Bald führen ihn die Recherchen aber auch zurück in seine eigene Vergangenheit, zu einem ehemaligen Mandanten, der eine lebenslängliche Haftstrafe in San Quentin absitzt. Daraus, wie das alles zusammenhängt und wie es im Laufe der Handlung langsam aufgedröselt wird, bezieht der Film seine Spannung.
Blickt man mit Abstand zurück auf den Film, so stellt sich die Story als gar nichts Außergewöhnliches dar. Was „Der Mandant“ jedoch aus dem bombastischen Einerlei heutiger Hollywood-Filme hervorhebt, ist seine Orientierung an Personen statt an Effekten. Man mag das altmodisch nennen, aber es hält die Aufmerksamkeit in einem Maße wach, wie man es im Kino kaum noch gewohnt ist. Matthew McConaughey, der nach einem vielversprechenden Start seiner Karriere kaum noch etwas von seinem Talent zeigen konnte, liefert gleich von der ersten Szene an eine Figur ab, die nahtlos die Tradition alter Hollywood-Krimis mit moderner Attitüde verbindet. Brad Furman weiß ganz offensichtlich, was er an ihm und an den anderen vorzüglichen Nebendarstellern hat: Obwohl er wie im Vorbeigehen die Lokalitäten mit raschen, deutlichen Pinselstrichen im Gedächtnis des Zuschauers verankert, orientiert er sich hauptsächlich an den Gesichtern seiner Darsteller und an deren Fähigkeit, durch unauffällige Nuancen einer Story zu neuem Leben zu verhelfen, die man so oder ähnlich schon Dutzende Male gelesen und gesehen hat. „Der Mandant“ besitzt vielleicht wenig Originalität, aber er hat Atmosphäre, Spannung und vor allem einen Helden, der nicht bloß von Effekten, sondern von Menschen umgeben ist. Das Krimi-Klischee, das immer wieder um die Ecke lugt und das für ein allzu oft hinausgezögertes, umständliches Ende verantwortlich ist, nimmt man dafür gerne in Kauf.