Auf Teufel komm raus (2010)

Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 84 Minuten

Regie: Mareille Klein

Ein Mann, der wegen mehrfacher Vergewaltigung im Gefängnis saß, zieht nach seiner Freilassung ins Haus seines Bruders. Aufgebrachte Nachbarn und andere Dorfbewohner wehren sich gegen den Zuzug des "Kinderschänders". Der Dokumentarfilm beleuchtet eindringlich die Situation auf beiden Seiten, ohne Partei zu ergreifen; sowohl Familienmitglieder des Straftäters als auch die Demonstranten kommen zu Wort. Statt einfache Lösungen zu propagieren, konfrontiert er mit der ganzen Komplexität des Falls. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Kokon Film/WDR/BR
Regie
Mareille Klein · Julie Kreuzer
Buch
Mareille Klein · Julie Kreuzer
Kamera
Gero Kutzner
Schnitt
Mechthild Barth
Länge
84 Minuten
Kinostart
12.05.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Draußen stehen Menschen mit selbst gemalten Transparenten und blicken grimmig auf ein Haus auf der Straßenseite gegenüber. Drinnen stehen zwei Männer in Freizeitanzügen und blicken mit Ferngläsern durch einen Spalt in der geschlossenen Jalousie auf das Grüppchen vor ihrer Tür. 2009 ist in dem beschaulichen Ort Heinsberg-Randerath an der deutsch-niederländischen Grenze ein Krieg ausgebrochen, der zum fortwährenden Belagerungszustand mit verhärteten Fronten führte. Auf der einen Seite steht Helmut D. mit seiner Familie, der seinen Bruder Karl, einen verurteilten Mehrfachvergewaltiger, nach dessen Haftentlassung bei sich aufgenommen hat. Auf der anderen Seite wehren sich empörte Bürger gegen einen Sexualstraftäter in ihrer Nachbarschaft, weil sie sich um das Wohl ihrer Kinder sorgen. Denn Karls Opfer waren stets junge Mädchen. Seit dessen Einzug belagern die Protestierenden das Haus der Familie D. von fünf bis spät und skandieren: „Wir wollen keine Kinderschänderschweine!“ Damit der Konflikt nicht eskaliert, steht rund um die Uhr ein Polizeiwagen am Ort des Geschehens. In dieser verfahrenen Situation machen sich die Filmemacherinnen Julie Kreuzer und Mareille Klein auf den Weg nach Ganderath, sprechen mit den Demonstranten über ihre Ängste, suchen aber auch den Kontakt zur Familie D. „Ich kann mir das nicht vorstellen, dass er das gemacht hat“, sagt Helmut über seinen Bruder. Später gibt Karl lediglich eine Vergewaltigung zu, die er als „Kavaliersdelikt“ hinstellt. Mit den beiden anderen Taten, für die er verurteilt wurde, will er nichts zu tun haben. Es fällt schwer, in dem Film so etwas wie Sympathieträger auszumachen. Während Karl keinerlei Reue zeigt, gebärden sich die Demonstranten bisweilen geradezu hysterisch und lassen keine Einsicht in die gültige Rechtslage erkennen, nach der ein Täter, der seine Strafe verbüßt hat, ein freier Mensch ist. Eine anschließende Sicherungsverwahrung kann nur mit dem Urteil, aber nicht – wie von den empörten Bürgern gefordert – nach Ende der Haft verhängt werden. Die Qualität dieser herausragenden Dokumentation besteht vor allem in ihrer exakten und vorurteilsfreien Beobachtung der Geschehnisse auf beiden Seiten. So wird die Situation für Familie D., im eigenen Haus quasi gefangen zu sein, zunehmend zur Zerreißprobe, die darin gipfelt, dass das örtliche Jugendamt droht, ihr Sohn Kevin wegzunehmen, da eine optimale Betreuung in Anbetracht der besonderen Situation nicht gegeben sei. Auf der anderen Seite beginnt die Front der Protestierenden irgendwann zu bröckeln. Zwei ältere Damen berichten, in ihrer Jugend selbst vergewaltigt worden zu sein, ohne die Täter je angezeigt zu haben; drei Frauen nehmen Kontakt zu Helmut und Karl auf, um mit ihnen über die verfahrene Situation zu sprechen – was ihnen von den restlichen Demonstranten als Verrat angekreidet wird. So bewegt sich die im besten Sinne verstörende Langzeitbeobachtung mit dezidiert filmischen Einstellungen und ohne jeden Off-Kommentar souverän zwischen den Fronten, ohne irgendwelche Allgemeinplätze über einfache Lösungen des Problems zu bedienen.
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