Dave Robicheaux ist eine Figur des US-Krimiautors James Lee Burke. Seit seiner literarischen „Geburt“ im Jahr 1987 hat es der Police-Detective aus New Iberia, Louisiana, auf bislang 17 Abenteuer gebracht. Im Kino erschien Robicheaux erstmals 1995 in „Mississippi Delta“
(fd 31 981), wo ihn Alec Baldwin als labilen Ex-Cop verkörperte, der von seiner Vergangenheit nicht loskommt. Diese spielt auch in Bertrand Taverniers eigenwilliger Adaption des Thrillers „In the Electric Mist with Confederate Dead“ (dt: „Im Schatten der Mangroven“) eine entscheidende Rolle, freilich auf eine weit tiefer schürfende, nahezu philosophische Weise. Schon in der Eingangssequenz räsoniert die von Tommy Lee Jones bravourös gespielte Hautfigur über den antiken Brauch, schwere Steine auf die Gräber der Toten zu legen, um ihre Seelen davon abzuhalten, die Lebenden heimzusuchen. Was wie der obligatorische Off-Kommentar eines Film-noir-Charakters anmutet, der wie der Nebel über den Sumpfgebieten als melancholischer Sermon über den Ermittlungen zum Mord an einer 19-jährigen Prostituierten schwebt, deutet pointiert auf eine mysteriöse Durchlässigkeit von Vergangenheit und Gegenwart, die ins Zentrum der Geschichte führt; denn entscheidende Hinweise erhält Robicheaux ausgerechnet vom Geist eines Konföderierten-Generals, insbesondere die stete Ermahnung, sich nicht korrumpieren zu lassen.
Welchen Status diese Phänomene haben, ob sie Halluzinationen sind, eine Art imaginäre Selbstverständigung oder tatsächliche Erscheinungen, lässt die Inszenierung offen und gründet darauf einen zentralen Nebenstrang um einen alkoholisierten Schauspieler, der gerade einen historischen Film über die Südstaaten dreht. Dessen Star erzählt Robicheaux von den Knochen eines mit Ketten gefesselten Toten im Bayou, aber auch vom General und seinen Soldaten, die sich in der Nähe aufhalten sollen. Bei Robichaux weckt das Erinnerungen an Geschehnisse vor 40 Jahren, die sich wie in Zeitlupe in sein Gedächtnis eingegraben haben: an den (ungesühnten) Lynchmord an einem jungen Schwarzen, der mit der Frau eines weißen Fabrikanten intim war. Auch der aktuelle Mordfall hält Robicheaux in Atem, da weitere Leichen junger Mädchen gefunden werden, was auf einen psychopathischen Serienkiller schließen lässt. Richtig kompliziert wird es allerdings erst durch Taverniers Chuzpe, sich die abgeklärte Ruhe der nicht nur physiognomisch gegerbten Hautfigur als erzählerische Grundhaltung zu eigen zu machen. Erst beim mehrmaligen Sehen registriert man die vielen Anspielungen und Hinweise, die Robicheaux als (aus-)definierte Serienfigur kennzeichnen. Was bisweilen den Anschein einer gewagten Patchwork-Dramaturgie erweckt, entpuppt sich als feines, sehr stimmiges Gespinst, auch wenn die Vorgeschichte(n) nicht als bekannt vorausgesetzt werden können. Ein lokaler Mobster gerät beispielsweise nicht durch Zufall oder wegen persönlicher Animositäten ins Zentrum von Robicheaux’ Mördersuche, sondern wegen Ereignissen, die außerhalb des Erzählradius der aktuellen Geschichte liegen. Diese narrative Struktur führt zu einer paradoxen Entschleunigung im Jump Cut-Modus, die ein Höchstmaß an (auch dokumentarischen) Details und erzählerischen Ebenen mit dem reifen Rhythmus seines alternden Helden verbindet, wobei insbesondere Robicheaux’ Autofahrten durch Louisiana Raum für kontemplative Zeitbilder lassen. Der Wirbelsturm Katrina von 2005 dient dabei dramaturgisch als eines von vielen Bindegliedern, dokumentiert sich in den Bildern der fortdauernden Schäden doch das dem Film entgegengesetzte Prinzip: immer nur vorwärts, ohne zurück oder zur Seite zu schauen. Die große Kunst von Taverniers beherzter Inszenierung besteht im Gegensatz dazu gerade darin, alles miteinander in Bezug zu setzen: die Psyche des Detectives, Diskriminierung und politische Missstände, Vergangenheit und Gegenwart, das organisierte Verbrechen und tiefsinnige Reflexionen über die hermeneutischen Voraussetzungen des Verstehens, das für den Detective gerade darin besteht, auch im Ungefähren, etwa dem titelgebenden Nebel, die Orientierung nicht zu verlieren. Das gilt für den Film insgesamt, der wie der dezente Soundtrack auf eine Mischung aus Details und Intuition vertraut: das gelassene Alterswerk eines Routiniers, der sich die Freiheit fragmentarischen Erzählens nimmt.