Die Liebe zwischen einer emanzipierten Kindergärtnerin und einem sensiblen Fotografen, beide Kinder türkischstämmiger Migranten, wird auf die Probe gestellt, als der Mann die von seiner Schwester "besudelte" Familienehre wiederherstellen soll. Spielfilmdebüt, das mit melodramatischer Raffinesse und zwei überzeugenden Darstellern die emotionale Zwangslage der Protagonisten zwischen Selbstbefreiung und gesellschaftlichen Konventionen thematisiert. Zwar in seiner Entwicklung schematisch, dennoch beachtlich.
- Ab 14.
Ayla (2009)
Drama | Deutschland 2009 | 88 Minuten
Regie: Su Turhan
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- BurkertBareiss Prod./tv60film/goldkindfilm/SWR/BR/ARTE
- Regie
- Su Turhan
- Buch
- Su Turhan · Beatrice Dossi
- Kamera
- Florian Schilling
- Musik
- Ali N. Askin
- Schnitt
- Horst Reiter
- Darsteller
- Pegah Ferydoni (Ayla) · Mehdi Moinzadeh (Ayhan) · Saskia Vester (Iris) · Timur Isik (Mehmet) · Türkiz Talay (Hülya)
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- 06.05.2010
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
Diskussion
Ayla steht, wie man so schön sagt, „zwischen den Kulturen“. Und das gleich mehrfach: die Tochter einer türkischstämmigen Münchner Gastarbeiterfamilie hat sich von den konservativen Ehr- und Moralvorstellungen ihrer Elterngeneration losgesagt und führt ein selbstbestimmtes Leben. Tagsüber arbeitet sie als Kindergärtnerin, nachts lässt sie die biedere Hülle fallen und gibt, ausgestattet mit Netzstrümpfen, blonder Perücke und hellblauen Kontaktlinsen, in einem Club die verruchte Garderobiere.
Der erste Langspielfilm von Su Turhan beschäftigt sich gleich mit einem ganzen Bündel von Identitätsbrüchen, doch glücklicherweise verlässt sich der in München aufgewachsene Regisseur, der auf Erfahrungen in der Stoffentwicklung und als Regisseur von Kurzfilmen, Musikvideos und Werbeclips zurückblicken kann, nicht ausschließlich auf die politischen Pointen des wohlmeinenden Drehbuchs. Denn da wird fast alles abgearbeitet, was mittlerweile zum Klischee erstarrt ist, vom schwarzen Mercedes über den sturen Vater, die Kopftuch tragende Schwester bis zum Karate-gestärkten Selbstbewusstsein der Protagonistin. Auch die Genese des geplanten Ehrenmords an der ebenfalls selbstständigen Hatice, die Ayla in ihrem Kindergarten kennen lernt, wird dramaturgisch nach bekannten Mustern gestrickt. Die bedrohte Hatice ist die Schwester von Ayhan, einem Fotografen, der sich ebenso wie Ayla dem konservativen Moralcodex seiner Herkunft zu entziehen versucht. Als ältester Sohn hat er jedoch die Pflicht, die Familienehre wieder herzustellen, was in diesem Fall darauf hinausläuft, die abtrünnige Hatice, die ihren Ehemann in Izmir sitzen gelassen hat, zu erschießen. Ausgerechnet in Ayhan, den sie als sensiblen, liberalen Mann kennen lernt, findet Ayla ihre große Liebe.
Während sich im Hintergrund schematisch inszenierte Geschichten aus den inneren Familienkriegen abspulen, variiert Turhan das Zusammenspiel seiner beiden Liebenden als szenisches Wechselbad aus spielerischer Leichtigkeit und Melodram. Er setzt doppelt ironische Kontrapunkte, wenn Ayla ihrer deutschstämmigen Kollegin, die alle Türken der Frauenfeindlichkeit bezichtigt, vorwirft, Vorurteile zu haben, um kurz darauf tatsächlich Hatice vor ihren gewalttätigen männlichen Verwandten verstecken zu müssen. Oder wenn es zur Liebesszene in den Kulissen eines Fotosets für einen biederen Teppichhändler kommt. Getragen wird das Ganze vom impulsiven Spiel Pegah Ferydonis, bekannt aus der Fernsehserie „Türkisch für Anfänger“, die hier in ihrer ersten Film-Hauptrolle zu sehen ist, aber ebenso von ihrem verinnerlicht agierenden Filmpartner Mehdi Moinzadeh. Wie so vieles im wirklichen Leben ist auch dieses Liebespaar kein Dauer-Dreamteam und daher authentisch genug, um dem Plot und damit der inhaltlichen Botschaft Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Denn Ayhan fühlt genauso die gesellschaftlichen Konventionen auf sich lasten wie sein weibliches Gegenüber, schafft es aber im Gegensatz zu Ayla nicht, sich diesem Druck zu entziehen. So wird am Ende überdeutlich, dass der Selbstbefreiung der Frauen die Selbstbefreiung der Männer folgen muss. In melodramatischen Volten dramatisiert Turhan die Katharsis des türkischen Mannes, wobei er allerdings der Lehrmeisterhaftigkeit gefährlich nahe kommt, dabei aber rührselig genug bleibt, um seine Protagonisten als Identifikationsfiguren aufzustellen. Der Showdown ist pure Emotion, dick aufgetragen, aber nah am Publikum.
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