Dokumentarfilm über die Heavy-Metal-Band Anvil, deren Musik und exzentrische Bühnenauftritte der Metal-Musik einst wichtige Impulse lieferten, die heute aber nur noch kleine Gigs vor eingefleischten Fans spielen. Schonungslos, aber ohne Häme beleuchtet der Film den Alltag der gealterten Protagonisten, die gegen die Spielregeln der Musikindustrie und das eigene Älterwerden am Traum vom Comeback festhalten, und rundet sich zum tragikomischen Erlebnisbericht. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
ANVIL! - Die Geschichte einer Freundschaft
Musikfilm | USA 2008 | 80 Minuten
Regie: Sacha Gervasi
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Filmdaten
- Originaltitel
- ANVIL! THE STORY OF ANVIL
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- Metal On Metal Prod.
- Regie
- Sacha Gervasi
- Buch
- Sacha Gervasi
- Kamera
- Christopher Soos
- Musik
- David Norland
- Schnitt
- Andrew Dickler · Jeff Renfroe
- Länge
- 80 Minuten
- Kinostart
- 11.03.2010
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Musikfilm | Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Für die kanadische Hardrock-Formation Anvil war 1984 nach einigen kurzen Erfolgen das Ende der Fahnenstange erreicht. Mieses Management, ungünstige Verträge sowie fragwürdige Entscheidungen von Produzenten und Labels verwiesen die Band, die medienwirksam in Lederstrapsen auftrat und die Gitarrensaiten mit Dildos bespielte, auf das Abstellgleis des Showbusiness. Doch was passiert mit den Egos, den in 15 Minuten Ruhm geschürten Karriereträumen und der Lebenshaltung solcher „Rampensäue“? Sacha Gervasi spürt schonungslos, aber mit großer Sympathie den Echos zweier Schicksale nach. Wie der Untertitel „Die Geschichte einer Freundschaft“ andeutet, geht es ihm nicht so sehr um eine musikalische Innenansicht des Heavy-Metal-Genres, sondern um das eindringliche Porträt zweier Vollblutmusiker, bei denen die Musik als Klebstoff fungiert. Als Gitarrist und Sänger Steve „Lips“ Kudlow Mitte der 1970er-Jahre in Toronto auf den Schlagzeuger Robb Rainer trifft, gründen sie die Heavy-Metal-Band Anvil, deren innovativer Speedmetal-Stil für kurze Zeit Geschichte schreiben sollte. Dabei handelt es sich um eine extrem schnelle, aggressive, spieltechnisch anspruchsvolle Variante des Heavy Metal. Namhafte Rock-Legenden wie Slash von den Guns N’Roses, Lars Ulrich von Metallica, Scott Ian von Anthrax oder Lemmy Kilmister von Motörhead attestieren zu Beginn des Dokumentarfilms Anvil eine prägende Rolle in diesem Genre. Schnitt auf die Protagonisten bei ihrer täglichen Arbeit in Toronto: Robb arbeitet mit dem Presslufthammer bei einer Abrissfirma, Lips erklärt als Fahrer von Meals on Wheels den wöchentlich wechselnden Menüplan von Pizza, Shepherd’s Pie und Meatloaf. Der Film lebt vom Kontrast zwischen den absurden Selbstinszenierungen der Metal-Performer und ihrem wenig glamourösen Leben als Familienväter. Robb und Lips halten sich seit Jahrzehnten am Traum vom großen Comeback fest. Sie spielen seit fast 30 Jahren in kleinen Kneipen und Spelunken vor eingefleischten Fans, die weder ihren Namen noch ihre Songs wie „Metal on Metal“ oder „666“ vergessen haben. Die typischen Metal-Posen, Gitarrenfetisch, Headbanging mit schütteren langen Haaren und pubertären Texten über Sex, Folter und Schwermetall wirken auf Hochzeitsfeiern oder in Dorfclubs so bemitleidenswert wie eine E-Gitarre ohne Strom. Regisseur Gervasi setzt aber nicht auf billige Schadenfreude. Die sympathischen Loser wirken wie 50-jährige Teenager, die selbst nach einer katastrophalen Europatournee davon überzeugt sind, dass gescheiterte Konzerte besser seien als gar keine. Manche Vignetten könnten der kongenialen Musiksatire „Die Jungs von Spinal Tap“ (fd 25 182) entlehnt sein. So kommt die Band in Prag zu spät zum Auftritt, weil sie stundenlang im Einbahnstraßenverkehr rechts und links der Moldau den Weg nicht findet. Danach geben die Musiker auf der Kaschemmenbühne alles, um mit Gulasch abgespeist zu werden. In München erscheinen sie am falschen Tag zum Auftritt und verpassen anschließend den Zug zur Weiterfahrt. Auf dem „Monsters of Transylvania“-Rockfestival werden 10.000 Besucher erwartet, und selbst der Bürgermeister wolle, so Lips voller, seine Aufwartung erweisen. Tatsächlich erschienen 178 Gäste. Der Kamerablick ist gnadenlos, aber nicht denunzierend. Der unerschütterliche Optimismus und die grenzenlose Naivität, mit der Lips und Robb an ihrem Lebenselixier Heavy Metal festhalten, verleihen dem Film eine faszinierende Note. Was als Pseudo-„Rockumentarfilm“ anmutet, entpuppt sich als tragisch-komischer Erlebnisbericht. „ANVIL!: die Geschichte einer Freundschaft“ erzählt eindringlich von der Spielsucht und dem Versuch, im harten Musikbusiness und im Wettlauf mit dem Älterwerden das Blatt doch noch zu wenden.
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