Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 82 Minuten

Regie: Angela Christlieb

Dokumentarfilm, der die utopische Fantasie-Stadt Urville des Zeichners Gilles Trehin konfrontiert mit mehreren realen französischen Gemeinden gleichen Namens. Die dabei wie zufällig von der Filmemacherin gesammelten Porträts wirken in ihrer Auswahl nicht unbedingt zwingend, entwerfen aber doch ein höchst interessantes, facettenreiches Bild menschlichen Zusammenlebens, wobei gerade in der Beobachtung des Alltags in den unterschiedlichen Orten das Besondere der jeweiligen Gemeinde eingefangen wird. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
URVILLE
Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Flying Moon Filmorod./ZDF-arte
Regie
Angela Christlieb
Buch
Angela Christlieb
Kamera
Yvonne Mohr
Musik
Eric Hubel
Schnitt
Angela Christlieb
Länge
82 Minuten
Kinostart
18.11.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Urvilles müsste dieser Film eigentlich heißen, schließlich vervielfältigt sich der gleichnamige Ort in Angela Christliebs Dokumentation einige Male. Der Bezug zum Ursprungsort, zum buchstäblichen Ur-ville (Ürville ausgesprochen) bleibt dennoch bis zuletzt bestehen, eine als Parallelwelt entworfene Fantasie-Stadt, die inzwischen so sehr zu einem Mythos avanciert ist, dass einige sogar an ihre Existenz glauben. Der französische Autist und Zeichner Gilles Trehin hat sie entworfen. Seit über 25 Jahren arbeitet er an der detaillierten Ausgestaltung der modernsten und sozialsten Stadt der Welt, die im Grunde ein paradiesischer Entwurf ist. Auf einer Insel im Mittelmeer soll sie liegen, Ungerechtigkeit, Ungleichheit oder Verbrechen kommen dort nicht vor. So gibt es weder Obdach- noch Arbeitslosigkeit und auch keine religiösen, ethnischen oder geschlechtsspezifischen Ungleichheiten. Außerdem soll Jennifer Lopez schon mal dort gewesen sein. Die anderen Urvilles, die die Berliner Filmemacherin mit dieser Atlantis-ähnlichen Fiktion konfrontiert, liegen mitten in Frankreich. Sie sind real, aber kaum alltäglich: verborgene Dörfer und Gemeinden, die ohne GPS nicht zu finden sind. In dem im Département Vosges gelegenen Urville kandidiert beispielsweise ein sich als Indianer ausgebender Immobilienmakler für das Amt des Bürgermeisters. Er nennt sich „Einsamer Wolf“, trägt einen Federschmuck und lebt mit seiner Frau in einem Tippi. Der Spagat zwischen kommerziellen Interessen und hippieeskem Aussteigertum stellt für ihn offensichtlich kein Problem dar. Der amtierende Maire hat für diese exzentrische Form der Selbstinszenierung wenig übrig, er zeigt dem Filmteam die Wahlkabine, eine Art begehbarer Schrank, der mit einem improvisierten Vorhang verhängt wird. Weiter geht es nach Urville in der Champagne. Die Bewohner leben vom Verkauf des Luxusgetränks, materieller Wohlstand spielt eine wichtige Rolle. Das im Calvados gelegene Urville wirkt dagegen weit weniger weltlich; die Bürgermeisterin sitzt mit ihrem Haustier, einem Huhn, auf dem Sofa und plaudert über das nahe gelegene Atomkraftwerk, das sie vom Balkon aus sehen kann. Vorsorglich habe die Gemeinde Jodkapseln eingelagert; sie selbst würde davon aber kaum profitieren – die Vorräte seien nur für die Bewohner unter 40 Jahren vorgesehen. Porträtiert wird auch eine im Ort ansässige Zirkusfamilie, die für einen alternativen Lebensentwurf steht. Von den anderen Bewohnern werden die Artisten wie ein Kuriosum betrachtet; es gibt Probleme mit den Nachbarn; das paradiesische Urville ist hier also doch noch ein großes Stück entfernt, trotz der herrschenden Scheinidylle. Das Willkürliche und Zufällige der dokumentierten Begegnungen ist in dem Film Programm. Natürlich hätte man genauso gut andere Orte mit anderem Namen aufsuchen können, mit anderen Bewohnern, anderen Geschichten. Dieses unangestrengt Beiläufige hat Charme, aber das Zwingende vermisst man dennoch. Christlieb dokumentiert den Alltag in den verschiedenen Urvilles, legt aber im Grunde das Besondere und Außergewöhnliche dieser Orte frei. Schließlich erzeugt auch die Konfrontation mit dem fiktiven Urville eine seltsame Schwingung. „Der Unterschied zwischen Hollywood und uns ist, dass wir uns die Farben nicht aussuchen“, sagt der Bürgermeister des vogesischen Urville. Er betont das Echte, Authentische an seiner Gemeinde, doch zu diesem Zeitpunkt hat man das Gefühl, dass die Fiktion hier schon längst Einzug gehalten hat.
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