Dokumentarfilm über fünf ehemalige "Staatsfeinde" der DDR, die über ihre Martyrien in Stasi-Gefängnissen berichten. Die Erinnerungen der zwei Frauen und drei Männer beziehen sich dabei nicht nur auf die Haftzeit, sondern beginnen weit früher. Ein in seiner Ästhetik reduziertes, ohne Off-Kommentar und musikalische Untermalung auskommendes historisches Zeugnis, dessen unprätentiöse Protagonisten stellvertretend allen Opfern staatlicher Übergriffe des SED-Regimes eine überzeugende Stimme geben.
- Ab 14.
Gesicht zur Wand
Dokumentarfilm | Deutschland/Luxemburg 2008 | 90 Minuten
Regie: Stefan Weinert
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland/Luxemburg
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- The core films/Equinox Prod.
- Regie
- Stefan Weinert
- Buch
- Stefan Weinert
- Kamera
- Lars Lenski
- Schnitt
- Ruben Bürgam
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Als anlässlich des Mauerfall-Jubiläums in den Medien die gewohnten Bilder von glücklichen Menschen in Trabis wieder auftauchen, die unter großem Gejohle über die innerdeutsche Grenze fuhren, oder von Bürgern aus Ost und West, die sich freudentrunken in den Armen lagen, wurde an die Wiedervereinigung vor 20 Jahren (wieder einmal) wie an eine große Party erinnert. Nimmt man die angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise erstarkende Ostalgie-Welle hinzu, wonach es sich im Arbeiter- und Bauernstaat doch eigentlich ganz gut leben ließ, kommt dieser Film als bewegendes Korrektiv gerade recht. Darin berichten fünf ehemalige „Staatsfeinde“ über ihre Martyrien in Gefängnissen der DDR, die sie einzig und allein deshalb zu erdulden hatten, weil sie der Republik den Rücken kehren wollten. Die Erinnerungen der zwei Frauen und drei Männer, die in unterschiedlichen Jahrzehnten in die Fänge der Stasi gerieten, beziehen sich dabei nicht nur auf ihre Hafterlebnisse, sondern beginnen weit früher. So berichtet Andreas B. – so viel Anonymität gewährt der Film seinen Protagonisten –, wie er bereits als Kind von der Mutter montags ermahnt wurde, in der Schule nicht zu erzählen, dass er am Wochenende „Lassie“ oder andere Kinderserien im Westfernsehen gesehen hatte. Die ehemalige Lehrerin Catharina M. erzählt von der Pflicht zur regelmäßigen Ranzenkontrolle, um Kinder aufzuspüren, die womöglich „West-Schund“ mit in die Schule brachten. Mit solchen Aussagen eröffnet der Film subtile Einblicke in das alltägliche Leben in Parallelwelten und macht zugleich plausibel, warum die fünf Protagonisten es irgendwann in der DDR nicht mehr aushielten. Die dramatischsten Erinnerungen betreffen natürlich die Gefangenname und die teils mehrjährigen Haftzeiten. Da ist von stundenlangen Zick-Zack-Fahrten in abgedunkelten Transportern die Rede, so dass die Verhafteten schließlich nicht wussten, in welchem Gefängnis sie überhaupt gelandet waren. Neben den Schikanierungen und körperlichen wie psychischen Demütigen gehörte für alle das Bewusstsein zu ihrem Gefängnisalltag, sich in einem rechtsfreien Raum zu befinden. Ihre Peiniger machten ihnen klar, dass man sie jederzeit spurlos verschwinden lassen könne. Wünsche nach juristischem Beistand wurden lakonisch mit dem Hinweis abgetan, dass man ihnen ohnehin nur staatstreue Juristen zur Verfügung stellen würde, also das Ganze auch gleich bleiben lassen könne. Der Film ordnet die Erinnerungen seiner fünf Protagonisten chronologisch, bündelt sie zwischendurch aber auch zu einzelnen Themenkomplexen. Die meisten Gedächtnisprotokolle wurden in den Wohnungen der Opfer aufgezeichnet, doch darüber hinaus gibt es aber auch Sequenzen, in denen Stefan Weinert mit seinen Gesprächspartnern Orte aufsucht, die mit ihrem Schicksal verbunden sind. Letztlich lebt der Film, der ohne Off-Kommentar und musikalische Untermalung auskommt (in den Verhörpassagen ist hie und da lediglich das Klappern einer Schreibmaschine zu hören) von seinen gut ausgewählten, von jedem Selbstdarstellungsdrang freien Zeitzeugen, die nie ins Plaudern geraten, sondern vielfach in Naheinstellungen mit bewegter, ruhiger Stimme ihre Leiden schildern. Bisweilen geraten sie dabei ins Stocken oder machen längere, beredte Pausen. Selbst Kuriositäten wie die Erinnerung an Verkehrsampeln in den Fluren der Verhörgebäude, die verhindern sollten, dass Gefangene einander begegneten, vermögen den Schrecken nicht zu mildern. Die konsequent reduzierte ästhetische Form des Films entspricht überzeugend dem Anliegen, jenen 72.000 Menschen durch die fünf Stellvertreter eine Stimme zu geben, die während des Bestehens der DDR als Republikflüchtlinge im Gefängnis landeten.
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