Es ist fast ein kleines Wunder, dass ein Film, der von den Beschränkungen der Liebe, von sozialen Skrupeln, ökonomischer Not und Krankheit erzählt, so leichtfüßig und schwebend daherkommt. Jane Campions neuer Film „Bright Star“, dessen Titel nach einem gleichnamigen Gedicht von John Keats benannt ist, funktioniert selbst wie ein romantisches Gedicht. Die Dramaturgie geht hier gänzlich eigene Wege; sie flaniert eher als dass sie voranschreitet und folgt dem Rhythmus von Keats’ lyrischen Meditationen. Und sie lässt sich dabei ausgiebig von der Sinnlichkeit und dem Ästhetizismus seiner Gedichte leiten. Wer der Erzählung über den romantischen Dichter Keats und seiner Liebe zu der Schneiderin Fanny Brawne also mit den Erwartungen an konventionelles Erzähl- oder Gefühlskino begegnet, wird „Bright Star“ vermutlich entsetzlich langweilig und lau finden. Viel passiert tatsächlich nicht in diesem Film. Es gibt Gespräche über Dichtkunst, Spaziergänge in der Natur, verhaltene Gender-Debatten, ein paar wenige Küsse und Umarmungen, und selbst als Keats an der tödlichen Tuberkulose erkrankt, gewinnt „Bright Star“ kaum an Schwere und Dramatik. Keats’ Gedichtzeile „A thing of beauty is a joy for ever: Its loveliness increases...“ scheint hier so etwas wie eine konzeptuelle Vorlage gewesen zu sein. Denn es geht im Wesentlichen um Schönheit. Vor allem um die Schönheit der Liebe, einer unschuldigen und keuschen Liebe, die vielleicht gerade aus den Beschränkungen ihre ganze Kraft zieht.
Als Keats und Fanny sich verlieben, sieht zunächst alles nach dem klassischen Drama der „novel of manners“ aus. Der empfindsame Keats ist mittellos und kommt als Ehemann nicht in Frage, doch das ist nicht das einzige Hindernis. Sein Mentor, Mr. Brown, fürchtet, die Liebe könne die Kreativität seines Freundes behindern und begegnet Fanny mit Eifersucht, Konkurrenzdruck und dandyhaftem Chauvinismus. Campion, die schon immer einen aufmerksamen Blick für die Geschlechterverhältnisse hatte, zeigt auch in „Bright Star“ die Getrenntheit und Unvereinbarkeit der beiden Sphären. Die Frauen sticken – Fanny macht das Beste daraus und kreiert selber Mode, „erfindet“ extravagante Kleider – die Männer dichten und leiden. Es gibt eine schöne Szene, in der Keats und Brown bei einem Spaziergang von Fanny unterbrochen werden. Brown sieht sich empfindlich gestört und erklärt ihr auf patronisierende Art, dass bei ihnen vermeintliches Nichtstun, also Müßiggang, in Wirklichkeit Inspiration und Kreativität, d.h. „Arbeit“ bedeute, während für das weibliche Geschlecht der Spaziergang etwas Profanes sei, reiner Zeitvertreib. Campion ist trotz dieser Spitzfindigkeiten mehr an dem interessiert, was Keats und Fanny verbindet, als aus den gesellschaftlichen Hürden ein allzu dominantes Thema zu machen. Aus Fannys Perspektive zeigt sie Gefühle wie Verliebtheit und Verbundenheit – selbst dort, wo sie scheinbar verhindert werden. Da das Paar immer wieder getrennt wird, nimmt die Sprache als Medium, das Nähe herstellt (und Erotik), eine immer wichtigere Rolle ein. Schließlich wurde die Verbindung der beiden durch einen regen und leidenschaftlichen Briefwechsel aufrechterhalten und intensiviert; Fannys Briefe existieren zwar nicht mehr, dafür wurden Keats’ Briefe umso berühmter. Neben Auszügen aus diesen Briefen strukturieren Passagen aus den Gedichten die Erzählung; das funktioniert mal mehr, mal weniger gut. Schließlich ist die Bildebene auch nicht gerade sparsam. Campion bemüht sich zwar um einen schlichten Realismus (angeblich soll sie sich hier an Bresson orientiert haben, was dem Film jedoch schwer anzumerken ist), allerdings lädt sie in romantischer Manier immer wieder scheinbar nebensächliche Details mit Bedeutung auf, etwa einen wehenden Vorhang und immer wieder Natur. Und zwar eine sinnlich erfahrbare, kultiviert inszenierte Natur: ein Zimmer voller bunter Schmetterlinge, ein flauschiges Kätzchen, eine Wiese mit lilafarbenen Blumen, darin Fanny im ebenso lilafarbenen Kleid. Zusammen mit Keats’ Gedichten gerät das manchmal allzu kunstvoll und illustrierend. Umso direkter und unverstellter erscheint dagegen die australische Schauspielerin Abbie Cornish, die ihre Figur mit einer beeindruckend zurückgenommenen Intensität spielt. Die besten Momente des Films sind daher die unspektakulärsten, etwa wenn Fanny alleine in ihrem Zimmer und in Gedanken bei Keats ist. Dann braucht es kein noch so schönes romantisches Gedicht; die Liebe spricht hier ihre ganz eigene, eine verhaltene Sprache.