Drama | USA 2009 | 101 Minuten

Regie: Tom Ford

Ein homosexueller Literaturprofessor, dessen langjähriger Lebensgefährte bei einem Autounfall ums Leben kam, plant seinen Selbstmord. Die Roman-Adaption beschreibt den Tag, den 30. November 1962, an dem er sein Vorhaben in die Tat umsetzen will. Dabei kommen alte Erinnerungen hoch; auch gibt es Begegnungen, die den Plan in Frage stellen. Dem in Ausstattung und Kameraarbeit ausgefeilt stilvollen Porträt eines Trauernden gelingt es trotz eines hervorragenden Hauptdarstellers nicht, sich von dem Reiz der Oberflächen zu lösen und hinter die sorgsam errichtete Fassade seiner Hauptfigur blicken zu lassen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A SINGLE MAN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Artina Films/Depth of Field/Fade to Black Prod.
Regie
Tom Ford
Buch
Tom Ford · David Scearce
Kamera
Eduard Grau
Musik
Abel Korzeniowski
Schnitt
Joan Sobel
Darsteller
Colin Firth (George) · Julianne Moore (Charlotte) · Matthew Goode (Jim) · Ginnifer Goodwin (Mrs. Strunk) · Nicholas Hoult (Kenny)
Länge
101 Minuten
Kinostart
08.04.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs. Es ist zudem eine DVD-Special Edition erschienen, die, ein wenig aufwendiger verpackt, zudem den preisgekrönten Soundtrack auf separater CD enthält.

Verleih DVD
Senator/Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Senator/Universum (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion
Christopher Isherwoods 1964 erschienener Roman „A Single Man“ beginnt mit dem Erwachen eines unspezifischen „Es“, das sich allmählich, nach einem mühevoll vollzogenen morgendlichen Ritual, in George Falconer, einen 58-jährigen homosexuellen britischen Literaturprofessor in Los Angeles, verwandelt. Der Kern dieser „George-Werdung“ ist das Ankleiden, was Isherwood als eine notwendige Form der Maskerade beschreibt. In Tom Fords Verfilmung gilt dieser Moment des „Dressing-Up“ jedoch nicht nur für George, sondern für den Film selbst. Denn „A Single Man“ macht vor allem den Eindruck eines perfekt geschnittenen Anzugs, makellos, elegant und äußerst luxuriös. Nun überrascht es nicht, dass ein Modedesigner wie Tom Ford, der als Retter des Labels Gucci in die Modegeschichte einging und seit einigen Jahren erfolgreich eine eigene Linie betreibt, sich bei seiner ersten Regiearbeit besonders ausgiebig um das „Aussehen“ seines Films kümmert. Die arrangierte Ästhetik und Perfektion von Anzeigenkampagnen und Modestrecken ist hier dann auch überdeutlich zu sehen. So streift er seiner Hauptfigur den visuellen Stil wie ein Outfit seiner neuesten Kollektion über. Im Wesentlichen werden zwei verschiedene Looks präsentiert: graue Bilder mit fahlem Licht und ausgebleichten Farben für depressive Gefühlszustände (die sich taub anfühlende Realität) und sattes, farbenprächtiges Technicolor für Glück oder Lebendigkeit (Rückblenden, nächtliche Träume bzw. Albträume, die Vitalität der „Anderen“). Zusätzlich gibt es eine kurze Sequenz in harten Schwarz-Weiß-Kontrasten – ein intensives Flashback, das durch das nostalgische Betrachten einer Schwarz-Weiß-Fotografie ausgelöst wird und ein wenig wie Werbung für ein exklusives Herrenparfum aussieht. Die psychologisierende Bildsprache des Films ist zweifelsohne etwas plump. Dabei hat doch Todd Haynes in seinem brillanten Douglas-Sirk-Pastiche „Dem Himmel so fern“ (fd 35 836) gezeigt, dass sich mit einer präzise konstruierten Oberfläche üppiger und farbenprächtiger Tableaus gesellschaftliche Zwänge und persönliches Leid pointiert und geradezu plastisch beschreiben lassen. Allerdings hat Ford ebenso wenig wie Haynes (wenngleich aus anderen Gründen) ein klassisches „period picture“ im Sinn. So gibt es in „A Single Man“ keine äußere Realität, nur die Realität von Georges subjektivem Empfinden, seine Einsamkeit und Trauer, sein Gesicht als eine Palette verschiedenster Grautöne. „A Single Man“ spielt an einem einzigen Tag, dem 30. November 1962, eine Gegenwart, die für George immer noch von der schmerzhaften Erinnerung an den Unfalltod seines langjährigen Lebensgefährten besetzt ist. Die Zeitangabe wird schon bald mit einer historischen Markierung verknüpft, nämlich der Kuba-Krise und der damit verbundenen Angst, dass sich der Kalte Krieg in einen „heißen“ verwandeln könnte. Diese Anbindung an ein historisches Jetzt dient jedoch kaum dazu, das persönliche Schicksal der Figur mit den gesellschaftlichen Konditionen der Zeit kurzzuschließen, sondern allein, um die emotionale Distanz der Figur gegenüber Geschichte und Weltgeschehen deutlich zu machen. Seine Umwelt ist George zu diesem Zeitpunkt nämlich ziemlich egal. Er plant, den Tag mit seinem Selbstmord zu beenden. Der Revolver ist geladen, alle wichtigen Dinge sind akkurat geordnet, doch unter den Vorzeichen des baldigen Endes kommt es zu unerwarteten Abweichungen von der täglichen Routine: die flüchtige Begegnung mit einem spanischen Stricher, das intensive Zusammensein mit seiner langjährigen Freundin Charlie und nicht zuletzt Kenny, der Student mit den neugierigen Fragen an das Leben. Allmählich dringt buchstäblich Farbe in Georges Leben, und gegen Ende hat sich das Technicolor in seinem fahlen Gesicht ausgebreitet. Gegenüber Fords aggressiven, sexuell anspielungsreichen Anzeigenkampagnen für Gucci wirkt „A Single Man“ erstaunlich prüde. Zwar gibt es einige durchtrainierte nackte Männeroberkörper zu sehen, doch von einem schwulen Begehren erzählen diese Bilder kaum. Nur einmal kommt es zwischen George und dem schönen Stricher im zeitgenössischen James-Dean-Look zu einem offensiv inszenierten erotischen Moment. Im goldenen Licht eines Parkplatzes rauchen sie eine Zigarette zusammen, Carlos bläst ihm lasziv den Qualm ins Gesicht. Diese entfernte Anspielung an Jean Genets homoerotischen Kurzfilm „Un chant d’amour“ (1950) wirkt wie ein Abziehbild im Vintage-Design; die Radikalität der Vorlage ist von der glanzvollen Oberfläche allerdings gänzlich verschluckt worden.
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