Gleich zu Beginn legt Regisseur Robert Zemeckis eine eindrucksvolle Rechtfertigung für die erneute Adaption des unverwüstlichen Stoffes von Charles Dickens hin: Mit einer bombastischen und zugleich atmosphärischen Kamerafahrt durch das London des 18. Jahrhunderts zieht er magisch in den Film hinein; gleichzeitig ist die Sequenz bezeichnend für die actionbetonte Neuverfilmung der klassischen Geschichte. Nach unzähligen Fernsehversionen, einigen Verballhornungen fürs Kino, u.a. mit Barbie und den Muppets, und der letzten wirklich guten Version für die große Leinwand, „Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte“
(fd 34 609), will Hollywood nun auch an diesem Stoff seine schier endlosen Möglichkeiten präsentieren. Wie schon bei „Der Polarexpress“
(fd 36 790) kommt das so genannte Performance-Capture zum Einsatz: Real gedrehte Szenen werden nachträglich per CGI-Verfahren in Animationsfilm transformiert. So können bekannte Schauspieler nicht nur, wie in Animationsfilmen üblich, einer Figur ihre Stimme leihen, sondern diese auch tatsächlich sichtbar „spielen“. Jim Carrey wird auf diesem Wege zu einer besonders knurrigen Karikatur des Ebenezer Scrooge: Die Nase spitz und lang, das Kinn ebenso, sitzt der hartherzige alte Mann in seinem Büro und hat nur eines im Sinn: die Mehrung seines Vermögens.
Der verbitterte und menschenfeindliche Charakter spiegelt sich in der bewussten Überzeichnung des dürren, hässlichen Körpers wider, der in bewusstem Kontrast zu den freundlich aussehenden Menschen in seiner Umgebung steht: seinem sanftmütigen Buchhalter, gespielt von Gary Oldman, und dem ebenso netten Neffen, der seinen verbitterten Onkel nicht aufgeben will. Hier offenbaren sich die größten Schwächen dieses an Stärken nicht armen Films: Während Scrooges Gesicht stets wandlungsfähig und dynamisch erscheint, sind die Mimiken der Figuren, deren animierte Gesichter noch stark an ihrer Darsteller erinnern, erstaunlich blass und wirken bisweilen sogar unecht. Die oft statischen Gesichtsbewegungen – eine zuckende Augenbraue hier, ein herabgezogener Mundwinkel dort – lassen die Überzeugungskraft der realen mimischen Künste so exzellenter Schauspieler wie Oldman und Firth missen.
Was der Film hier verschenkt, das holt er jedoch bei den Schauwerten wieder heraus. Die Geister, die Scrooge erscheinen und ihn zu einem besseren Menschen machen sollen, sind fantasievoll und beeindruckend. Allerdings sticht dabei nicht Scrooges verstorbener Geschäftspartner hervor, sondern die Geister der Weihnacht. Mit ihnen braust der Griesgram in einem fulminanten Actionfeuerwerk durch Zeit und Raum. Hier ist Zemeckis ganz in seinem Element. Er begnügt sich nicht mit einer temporeichen Handlung und wilden Fahrten durch Häuser, Schornsteine und Kanäle, sondern kreiert darüber hinaus abstrakte, teils karge Bühnen, um die Abgründigkeit von Scrooges Charakter zu versinnbildlichen. Zemeckis’ Film fällt deshalb trotz gelegentlicher Humor-Einsprengsel ziemlich düster und bedrohlich aus: dunkle, hohe Räume, einsame Szenerien, verlassene Straßen und karge Schlafzimmer gehören zum visuellen Repertoire. Angst will Zemeckis erzeugen, Angst vor der Endlichkeit des Daseins und dem, was hinterher kommen mag – dafür erschafft er diese eindringlichen Bilder. Wenn Scrooge am Ende die Kutsche mit dem Tod als Lenker durch die Straßen Londons verfolgt, dann ist er längst nur noch ein armer, gepeinigter alter Mann, ein Gehetzter, der durch ein einsames und furchterregendes Szenario getrieben wird.
Es ist dieser Spannungsaufbau, der überzeugt, denn die actionbetonten Höhepunkte sind wohl gesetzt. Mittendrin steckt ein überzeugender Jim Carrey, der nach der Darstellung des menschenverachtenden Count Olaf in „Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse“
(fd 36 885) erneut eine Paraderolle ähnlichen Formats gefunden und mit Bravour gemeistert hat.