Es ist bezeichnend, dass Steven Soderbergh den Protagonisten seines neuen Films gleich mehrfach John Grisham und dessen erfolgreich verfilmten Bestseller „Die Firma“ erwähnen lässt. Mit jenem Thriller teilt „The Informant!“ eine auffallend ähnliche Ausgangskonstellation: Auch hier bekommt ein ebenso ambitionierter wie unsicherer Mann es mit dem FBI zu tun, während das Unternehmen, in dem er selbst in gehobener Position angestellt ist, in weit reichende kriminelle Machenschaften verstrickt ist. Während die wiederholt eingestreute Referenz die Ähnlichkeiten beider Stoffe bewusst macht, schärft sie aber vor allem die Sensibilität dafür, wie eigensinnig und konsequent der Film die Konventionen eines Thrillers – mehr noch: jedes Genres – unterläuft. Auch der nahe liegende Vergleich mit einem anderen, vordergründig ähnlichen Film vermittelt vor allem einen Eindruck davon, was „The Informant!“ eben nicht ist: Anders als „The Insider“
(fd 34234) handelt es sich, obwohl ebenfalls auf authentischen Ereignissen beruhend, um keine Charakterstudie, die von dem Preis handelt, den ein Informant für seine Aussagebereitschaft gegen einen Konzern bezahlen muss.
Mark Whitacre ist ein Biochemiker und Vizepräsident des Agrarunternehmens ADM, das im amerikanischen Hinterland aus Mais jene Zusatzstoffe herstellt, die in fast allen Lebensmitteln landen. Zu Beginn des Films plagt er sich gerade mit Rückschlägen bei der Produktion einer Lysin-Aminosäure, bevor er unvermittelt mit einer sensationellen Nachricht ins Büro seines Vorgesetzten platzt: Ein Angestellter einer japanischen Konkurrenzfirma habe telefonisch 10 Mio. Dollar verlangt, um einen Saboteur zu identifizieren, der intern die Lysin-Entwicklung hintertreibe. Als ADM daraufhin das FBI verständigt, das in Whitacres Privathaus dessen dienstliche Telefonleitung anzapft, zieht das prompt eine weitere Offenbarung nach sich: Auf Drängen seiner Ehefrau Ginger vertraut der steife Angestellte einem FBI-Mann an, dass ADM und die internationale Konkurrenz sich heimlich den Weltmarkt aufgeteilt hätten und mit Preisabsprachen illegal Milliarden verdienten.
Von diesen Mitteilungen wird der Zuschauer ebenso überrascht wie der ADM-Boss und der FBI-Mann, denn Soderbergh hat sie in keiner Weise vorbereitet. Wenn Ginger mit ihrem Mann tuschelt und dunkel andeutet, gegebenenfalls selbst mit der Sprache herauszurücken, mag man sich sogar verwundert fragen, ob man zwischendurch etwas verpasst hat. Im weiteren Verlauf des Films wird die Inszenierung immer elliptischer, es werden also zunehmend größere Zeiträume übersprungen und das Publikum über immer mehr Entwicklungen erst im Nachhinein in Kenntnis gesetzt. So erscheint Whitacre zunächst wild entschlossen, als Informant zu agieren, bevor eine Montage kurzer ergebnisloser Telefonate klarmacht, dass der wankelmütige Mann zwischenzeitlich offenbar seine Meinung geändert hat. Über alle weiteren Überraschungen, die den braven FBI-Ermittlern noch bevorstehen, sollte man ohnehin Stillschweigen bewahren. Zumindest vorübergehend scheint Whitacre allerdings in seiner Informantentätigkeit aufzugehen, was Soderbergh und sein Hauptdarsteller Matt Damon zum Anlass nehmen, die plumpe Heimlichtuerei dieses seltsamen Anti-Helden sehr komisch mit der banalen Geschäftigkeit von Business Meetings in Mittelklassehotels zu kontrastieren. Diese Momente sind die einzigen, in denen der Film seine Schizophrenie ablegt und eine identifizierbare Genre-Identität – als trockene Agenten-Farce – annimmt. In diesen wenigen Minuten steht der Erzählton auch mit der altmodisch burlesken Musik Marvin Hamlischs im Einklang, die an anderen Stellen ebenso als befremdlicher Kontrapunkt wirkt wie die anachronistische New-Hollywood-Ästhetik, die Soderbergh durch diffuses Licht und Farben nachahmt, obwohl die Handlung in den 1990er-Jahren spielt und der Filmemacher, wie gewohnt unter dem Pseudonym Peter Andrews, eine avancierte HD-Kamera bedient hat.
Als irritierendster Kontrapunkt dient in „The Informant!“ kurioserweise der regelmäßige Off-Kommentar Whitacres. Wenn die Hauptfigur eines Films aus dem Off adressiert, suggeriert das in der Regel, dass die Erzählperspektive zumindest vorübergehend fast jede Distanz aufgibt. In diesem Film scheinen die Off-Kommentare denn auch ganz ungefiltert Whitacres Gedanken auszudrücken, doch handelt es sich dabei – mit einer entscheidenden Ausnahme – nur um jene Art Unsinn, der einem ständig durch den Kopf schießt und von Wichtigerem ablenkt: etwa die Frage, woher Eisbären wohl wissen, dass ihre schwarzen Nasen der einzige Körperteil sind, der eine ansonsten perfekte Tarnung zunichte macht. Wohl noch nie hat eine Filmfigur ihr Publikum so leutselig zugequatscht, ohne irgend etwas über sich preiszugeben. Das Ausrufezeichen, das dem englischen Originaltitel dieses ebenso merkwürdigen wie faszinierenden Films einen kecken Akzent verleiht, könnte ebenso gut durch ein Fragezeichen ersetzt werden.