- | Deutschland 2009 | 89 (29 + 60) Minuten

Regie: Serdal Karaça

Zwei Filme, die den Alltag im Berliner Bezirk Kreuzkölln mit Understatement reflektieren, wobei sie auf sozialromantische Untertöne wie auf Szenekitsch gleichermaßen verzichten. "Moruk" zeigt einen Tag im Leben zweier arbeitsloser Deutschtürken auf der vergeblichen Suche nach dem Abenteuer, "24 Stunden Schlesisches Tor" bündelt dokumentarische Momentaufnahmen und -aussagen zu einem Sozialpanorama. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) (2)
Regie
Serdal Karaça · Eva Lia Reinegger · Anna de Paoli
Buch
Serdal Karaça · Eva Lia Reinegger
Kamera
Dirk Lütter · Luciano Cervio · Jenny Lou Ziegel
Schnitt
Serdal Karaça · Kathrine Granlund · Karin Nowarra
Darsteller
Oktay Özdemir (Murat) · Burak Yigit (Hakan) · Irina Popatenko (Irina) · Klara Reinacher (Klara)
Länge
89 (29 + 60) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.

Diskussion
Kreuzkölln heißt jener Berliner Kiez zwischen Hermannplatz und Landwehrkanal, der momentan in Mode kommt: eigentlich bereits Neukölln, vom Flair her aber fast schon Kreuzberg. Nur (noch) nicht so chic, was zum angesagten Berliner Understatement passt. Hier treffen Alteingesessene und Studenten auf Kreative ohne Geld und auf Beamte, die so tun, als hätten sie keines. In die Straßen zwischen den Mietskasernen zieht das Leben ein – Clubs, Restaurants, Cafés, Latte Macchiato auf groben Holzstühlen. Kreuzkölln ist „in“. Und mittendrin liegt das „Moviemento“-Kino, laut Eigenwerbung das „älteste Kino Deutschlands“. Dort hat man jetzt ein kleines, feines Filmprogramm unter dem Titel „Kreuzkölln“ festgezurrt. Eigentlich ist es eine Mogelpackung, denn keiner der beiden Programmteile spielt in dem aktuellen Szeneviertel. Serdal Karaças Kurzspielfilm „Moruk“ ist genauso im Ur-Kreuzberg um die Adalbert- und Oranienstraße angesiedelt wie die einstündige Dokumentation „24 Stunden Schlesisches Tor“ der beiden dffb-Studentinnen Eva Lia Reinegger und Anna de Paoli. Egal: Die Mischung lohnt sich, werfen beide Filme doch ein ebenso originelles wie kritisches Licht auf die Szenemetropole Berlin. So variieren Murat und Hakan, zwei Deutschtürken in ihrer späten Pubertät, das „arm, aber sexy“-Bonmot, mit dem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit vor einigen Jahren Haushaltslücke, Schuldenberg und niedriges Durchschnittseinkommen der Stadt schönredete, zu einer in körnigem Schwarz-Weiß gefilmten Elegie zwischen schlechter Laune und dem Versuch, mit faden Gags die Stimmung aufzuhellen. Irgendwo im Kiez haben sich die beiden eine Straßenecke erobert, an der sie den ganzen Tag lang abhängen. Regisseur Karaça macht daraus eine unspektakuläre Bestandsaufnahme, in der die Hauptdarsteller Oktay Özdemir und Burak Yigit das richtige Gleichgewicht zwischen Persiflage und Alltagsdrama finden. Dazu hält das Drehbuch die richtigen Pointen bereit, die freilich immer wieder mit der wortlosen Erkenntnis enden, dass es hier nur wenig Chancen zu ergreifen gibt – Szenen, in denen sich die Dramaturgie auf das Schweigen der Protagonisten verlassen kann. „24 Stunden Schlesisches Tor“ porträtiert nach dem Vorbild von Louis Malles „Place de la République“ einen Tag am gleichnamigen Kreuzberger U-Bahnhof. Mit teilweise naiven Fragen begegnen die Filmemacher Anwohnern, Touristen, Lieferanten und Ladenbetreibern – und entdecken ein buntes Panorama, hinter dem stets etwas mehr „arm“ als „sexy“ durchschimmert. Reinegger und de Paoli protokollieren ausschnittartig kleine Träume und großspurige Statements – vom Müllfahrer, der begeistert von seinen Schlittenhunden erzählt, über den deutschtürkischen Lehrling, der auch in der Türkei Ausländer ist, bis zum Obdachlosen, der sein bösartiges Anti-Kreuzberg-Traktat mit den Worten beendet: „Nirgendwo auf der Welt sitzen mehr Leute auf einem Scheißhaufen“. Rough Cuts mit Haltung und Herz, wenn auch nicht immer mit Verstand – das „Kreuzkölln“-Programm bietet eine bodenständige Nabelschau ohne Glamour und ein Berlin-Bild, das Sozialromantik und Szene-Kitsch gleichermaßen hinterfragt.
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