Dokumentarfilm über eine Großwäscherei, die den Bedarf Berliner Luxushotels für Niedriglöhne in Polen reinigen lässt. Er fokussiert auf vier Arbeiterinnen und ihre Schwierigkeiten, trotz erschöpfender Schichtarbeit über die Runden zu kommen. Ohne festes Drehbuch entstanden, zehrt der Film von der fast familiären Nähe zu den Protagonistinnen; die Kehrseite davon sind allerdings Schwächen in der Argumentationsstruktur. So merkt man ihm zwar die Frustration angesichts der gezeigten Arbeitsbedingungen an, direkt formulierte kritische Hinterfragungen bleiben indes rar.
- Ab 14.
Die wundersame Welt der Waschkraft
Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 96 Minuten
Regie: Hans-Christian Schmid
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- 23/5 Filmprod./RBB
- Regie
- Hans-Christian Schmid
- Buch
- Hans-Christian Schmid
- Kamera
- Bogumil Godfrejów
- Schnitt
- Stefan Stabenow
- Länge
- 96 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Dass der deutsche Wäschereibetrieb „Fliegel“ in der kleinen polnischen Grenzstadt Gryfin ein Werk betreibt, hat vor allem zwei Ursachen: billige Löhne und teure Hotels. Die teuren Hotels stehen in Berlin. Dort beginnt auch Hans-Christian Schmids Dokumentarfilm über die auf so „wundersame“ Weise globalisierte „Welt der Waschkraft“. Die gebrauchten Laken werden von Betten gezogen, Handtücher vom Boden geklaubt und lastwagenweise nach Polen gekarrt. Dort sind die Menschen – fast ausschließlich Frauen – bereit, für einen Niedriglohn zu arbeiten, der ihnen kaum ein Auskommen sichert. Pflichtschuldig ordnen sie sich dem Schichtsystem unter und treten zu unbezahlten Überstunden an. Schmid wundert und ärgert sich über diese Zustände. Das kann man dem Filmtitel ablesen und merkt man seinem Film auch an, aber er spricht es nicht aus. Überhaupt verschwinden der Regisseur und sein Team – Kameramann Bogumil Godfrejow sowie die Übersetzerin Malgorzata Zacharko – größtenteils hinter der Kamera. Kommentarlos begleiten sie ausgewählte Arbeiterinnen des Waschwerkes durch ihren Alltag. Dabei konzentrieren sie sich auf zwei Familien. Die dreifache Mutter Beata verbringt wegen des Schichtbetriebes kaum Zeit mit ihren Kindern und ihrem Freund. Trotzdem reicht ihr Verdienst nicht für eine größere Wohnung. Deshalb muss sie noch immer mit der Ex-Frau ihres Freundes unter einem Dach hausen. Um ihrer Tochter zu helfen, fährt Beatas Mutter Lidia für ein halbes Jahr nach England, wo sie für etwas mehr Geld Tulpen eintopfen soll. Auch Monika und Marta sind Mutter und Tochter. Bis vor Kurzem haben beide noch bei „Fliegel“ gearbeitet. Jetzt träumt Marta davon, sich als Kosmetikerin selbständig zu machen. Ein Traum, der zu platzen droht, weshalb Monika sich große Sorgen macht.
Schmids Film baut eine fast intime Nähe zu diesen vier Frauen auf, was den Eindruck entstehen lässt, man nehme unmittelbar an ihrem Leben teil. Die ruhige, sehr flexible Kamera bewegt sich wie willkommener, wenn auch zurückhaltender Besucher durch die Familien. Die gefühlte Authentizität dürfte daraus resultieren, dass Schmid an die Dreharbeiten mit einem „offenen Konzept“ herangegangen ist. Oft sei er einfach losgefahren „mit nichts weiter als der losen Verabredung ‚wir kommen heute mal vorbei und sehen, was passiert‘“. In seinem ersten Dokumentarfilm seit der HFF-Abschlussarbeit „Die Mechanik des Wunders“ (1992) verzichtete Schmid auf ein Drehbuch, sammelte Unmengen von Material, aus dem sich erst beim Schnitt eine Dramaturgie herausschälte. Dieser Vorgehensweise verdankt der Film die freundschaftliche Nähe zu den Protagonisten; ihr ist aber auch seine Schwäche geschuldet. Angesichts des politischen und sozialen Spannungsfeldes, in dem sich der Film bewegt, fehlt es ihm an einer erkennbaren Argumentationsstruktur. Wesentliche Problemstellungen fallen der menschelnden Montage zum Opfer. Manch kritische Frage wird nicht formuliert, weil vor lauter Offenheit und Spontaneität kein Filmautor mehr da ist, der sie stellen könnte. Die zynischen Aussagen von „Fliegel“-Chef Wiesemann, mit denen er die Niedriglöhne rechtfertigt („Einer ist mit 2.000 oder 1.500 Zloty glücklich, ein anderer nicht mit 5.000 Euro. Das liegt in der menschlichen Natur. Daran werden wir auch nichts ändern können.“), mögen für sich selbst sprechen. Solche Statements sind aber rar. Die globalen Dimensionen der Waschwelt, ihre Bosse und Auftraggeber (die Berliner Luxushotels) verliert Schmid in dieser allzu persönlichen Perspektive aus dem Blick. Erst ganz am Ende meldet er sich mittels einer Texteinblendung dann doch einmal zu Wort. Im Dezember 2007, erfährt der Zuschauer auf diese Weise, eröffnete „Fliegel“ in Leipzig ein neues Werk. Und zwar aus einem denkbar einfachen Grund: Ein LKW-Fahrer verdient dort mittlerweile weniger als in Polen.
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