Drama | Irland 2007 | 85 Minuten

Regie: Lenny Abrahamson

Drama um einen stillen Außenseiter, der am Rand einer irischen Kleinstadt in einer Autowerkstatt arbeitet und ein zurückgezogenes Leben führt. Die Begegnung mit einem Mädchen und die zögerliche Freundschaft zu einem Teenager, der als neuer Kollege anfängt, scheinen positive Impulse ins Leben des Einsamen zu bringen, führen schließlich aber zu einer Katastrophe. Mit Lakonie und großer Intensität legt der Film die unterschwellige Grausamkeit einer Gesellschaft bloß, die jede Abweichung von Lebensnormen bestraft. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GARAGE
Produktionsland
Irland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Element Pic./Broadcasting Commission of Ireland/Bórd Scannán na hÉireann/Film4/Radio Telefís Éireann (RTÉ)
Regie
Lenny Abrahamson
Buch
Mark O'Halloran
Kamera
Peter Robertson
Musik
Stephen Rennicks
Schnitt
Isobel Stephenson
Darsteller
Pat Shortt (Josie) · Anne-Marie Duff (Carmel) · Conor Ryan (David) · Don Wycherley (Breffni) · Andrew Bennett (Sully)
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Es gibt einen Moment in diesem Film, da möchte man Josie wirklich schütteln. Sein Bekannter hält einen Sack mit quiekenden Hundewelpen über die Brückenbrüstung, unten rauscht der Fluss. Josie steht auf der Brücke daneben, kriegt kein Widerwort heraus und sieht dann sogar befriedigt zu, wie sein Kneipenfreund den zuckenden Beutel fallen lässt. Josie kann man alles weismachen. Wenn ihm einer sagt, dass das Ersäufen junger Hunde ein Akt der Barmherzigkeit sei, dann glaubt er es auch. Der Aktionsradius des hüftstarren Helden ist gering. Sein Leben dreht sich um eine Tankstelle im Westen Irlands. Dort arbeitet, isst und schläft Josie, dort spritzt er sich zwecks Körperpflege mit einem Schlauch ab, wie man sonst Autos wäscht. Um das Weltgetriebe macht der Mann sich keine Gedanken. Mit großen Kinderaugen blickt er den Trucks hinterher, die nach Brüssel oder zu anderen exotischen Zielen aufbrechen. Doch dann wendet er sich wirklich wichtigen Dingen zu. Gelbe Plastikrohre zerschneiden. Die Werkstatt aufräumen. Auftanken, wenn mal ein Wagen vorfährt, was in diesem Film insgesamt dreimal geschieht. Große Pläne bespricht Josie mit seinem Chef, Mr. Gallagher. Dass der längst Pläne mit dem Grundstück hat, dass die Tage der Station und ihres Wärters gezählt sind – dieses Problem wird gestreift und damit nebenbei auf größere Zusammenhänge verwiesen. Wohin mit dem kleinen Mann, wenn die Welt immer größer, urbaner, globaler wird? Dass Regisseur Lenny Abrahamson der richtige Mann ist, tragische Geschichten in einem leichten, heimtückischen Komödienton zu erzählen, bewies er schon mit seinem Spielfilmdebüt „Adam & Paul“ (2004). Darin starb sein heruntergekommenes Protagonistenpaar den Drogentod in Dublin, als wäre es ein Stück von Hardy und Laurel. Josie wirkt wie ein Ollie, dem der Stan abhanden gekommen ist, was in gewisser Hinsicht sein Überleben garantiert: Jede Berührung, jede zwischenmenschliche Auseinandersetzung birgt in der zugespitzten Logik der Handlung den Keim einer Katastrophe in sich. Nebenschauplatz dieses Films ist eine Kleinstadt, mit der Josie wie über eine Nabelschnur verbunden ist. Hier kauft der Eigenbrötler ein und trinkt sein Bier in der Eckkneipe, hier wird er geduldet, aufgezogen, manchmal ein wenig gequält, aber im Großen und Ganzen in Ruhe gelassen. Selten hat ein Film das Kontrastpersonal zur einsamen Quasimodo-Figur mit solch subtiler, fast unmerklicher Bosheit ausgestattet. Es ist die Grausamkeit, die im Satz „Wir wollen nur dein Bestes“ steckt, es ist die lässig-pflichtschuldige Geste, mit der man neugeborene Hunde ertränkt. Vielleicht muss man sich den tumben Tankwart als glücklichen Menschen vorstellen. Doch das Filmporträt eines Narren birgt auch seinen Schmerz. Wenn Josie über die Bohlen einer stillgelegten Bahnstrecke trottet, begleiten ihn schneidende Streicherakkorde auf der Tonspur. Auf dem Weg in den Ort kommt Josie regelmäßig an einem Gatter vorbei, hinter dem ein triefäugiger Ackergaul auf Süßigkeiten wartet. Das angekettete Tier ist nicht nur der einzige Freund, sondern auch das Alter ego des Mannes, der im Inneren einer unsichtbaren Blase zu existieren scheint. Einmal droht die Blase zu platzen, als Josie mit Carmel tanzt, einer heimlich angehimmelten Drugstore-Verkäuferin. Carmel lässt sich berühren, schmiegt sich an den Mann, den sie Sekunden später erschrocken von sich stößt, als hätte sie einen Blick in seine wunde Seele getan. Am Tag danach tut sie ihm „einen Gefallen“, wie sie ihre Abfuhr beschönigend nennt: „Fass mich nie wieder an“. Wie das Kopfthema eines Streichquartetts kehrt dieses Moment der Ausgrenzung mehrfach wieder, in letzter Steigerung als polizeiliche Anweisung, den Kontakt zu den Bewohnern der Kleinstadt ganz einzustellen. Trotz der weiten Wald- und Seenlandschaft, die in ihrer kalten, fast erbarmungslosen Schönheit die Geworfenheit des Helden spiegelt, enthüllt sich „Garage“ als ein präzis komponiertes Kammerspiel, dessen Struktur von Leitmotiven, wiederkehrenden Moll-Farben, auch von eingeflochtenen Scherzo-Passagen durchwirkt ist. Wenn Josie unbeholfen seine Hüftgymnastik absolviert oder emsig leere Bierdosen aufsammelt, um sie dann doch im Gebüsch zu entsorgen, lässt der vorzügliche Hauptdarsteller ein clowneskes Talent durchschimmern, das ihn zum beliebtesten Fernseh-Comedian Irlands gemacht hat. Dank Pat Shortt strahlt Josie einen unermüdlichen, gleichsam Beckettschen Optimismus aus, der bis zum fatalen Ende nicht verglühen will. So begreift er einen neuen Mitarbeiter in der Tankstelle auch nicht als Konkurrenz, sondern als angenehme Abwechslung: Mr. Gallagher bringt den Teenager David ins Spiel, der von Josie angelernt werden soll. Eine kurze Phase gegenseitiger Scheu wird überwunden, bald sitzen „Meister und Geselle“ des öfteren auf Klappstühlen vor der Garage und schauen ins Abendrot. David trägt Glasbausteine auf der pickligen Nase, wirkt verschlossen, aber nicht kaltherzig, und er kehrt das Generationenverhältnis um, indem er dem Älteren den einen oder anderen Erkenntnisgewinn verschafft. Wenn Wissen und Ohnmacht hier nur nicht so nahe beieinander lägen! David schleppt Josie einmal zum Lagerfeuer mit Kumpels und Freundinnen. Während alles knutscht, ragt Josie wie ein Leuchtturm aus der Runde – wegen seiner steifen Hüfte kann er nicht auf dem Boden sitzen. Sein Kontakt mit der Dorfjugend weckt Wünsche, die den ungeschriebenen Pakt zwischen ihm und dem Umfeld gefährden. Mit Carmel fängt es nur an. Nachdem Josie dem minderjährigen David mit bestürzender Unbedarftheit ein Porno-Video gezeigt hat, wird der Fehltritt publik; die Maschinerie des Gesetzes läuft an, der Außenseiter wird unversehens zum Ausgestoßenen. Mit großer Intensität gestaltet Pat Shortt die finalen Szenen der Fassungslosigkeit, des stillen Kampfes um eine bereits verlorene Existenz. Unerbittliche „Komik“ prägt die Szene, in der Mr. Gallagher zur Kündigung schreitet – von Abrahamson auf das Bild des auf den Tee wartenden Chefs und den Gegenschuss auf Josie verknappt, der ungeschickt Milchklumpen aus der für Gallagher gefüllten Tasse fingert. Im irischen Fernsehen sind Shortt und John Keogh oft als Slapstick-Partner zu sehen. In jenem bitteren Moment geht es freilich um Tücken eines Alltags, der keiner mehr ist.
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