Ob „Die weiße Rose“
(fd 23 649) von Michael Verhoeven, „Fünf letzte Tage“
(fd 23 670) von Percy Adlon oder „Sophie Scholl – Die letzten Tage“
(fd 26 917) von Marc Rothemund: Fiktional wurde die Geschichte der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ immer wieder aufbereitet. Dokumentarisches zum Thema fiel dagegen oft nur als eine Art „Nebenerzeugnis“ der Spielfilmproduktion ab, wie etwa „Sophie Scholl – Allen Gewalten zum Trotz“ von Marieke Schröder, der aus dem Recherchematerial für die Marc-Rothemund-Verfilmung entstand, oder „Die kleine Schwester“, in dem der Regisseur Michael Verhoeven mit einem Porträt über Anneliese Graf noch einmal das Thema eines seiner großen Spielfilmerfolge aufgriff.
Insofern war „Die Widerständigen“ von Katrin Seybold als laut eigenen Angaben „erste dokumentarische Gesamtdarstellung der Widerstandsarbeit der Münchner Studenten in den Kriegsjahren 1942 und 1943“ ein überfälliges Projekt, in dem über ein Dutzend Freunde, Verwandte und Vertraute der Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl, Willi Graf, Christoph Probst, Alexander Schmorell und den Psychologieprofessor Kurt Huber zu Wort kommen. Dass daraus auch ein erhellender und sehr sehenswerter Film wurde, hat mit Ausdauer und Bescheidenheit zu tun: Über zehn Jahre hat Seybold an „Die Widerständigen“ gearbeitet, unzählige, stundenlange Gespräche geführt, Archive akribisch nach Flugblättern, Fotos und Gerichtsakten durchkämmt. Montiert wurde das zusammengetragene Material schließlich zu einem leisen, sehr reduzierten Dokument des Grauens und der Hoffnung, ohne modischen Firlefanz und ohne jeden Versuch, den Betrachter emotional zu überwältigen.
Denn die Erinnerungen Zeitzeugen, von denen auch die Jüngeren schon über 70 Jahre alt und zwei mittlerweile verstorben sind, sprechen für sich. Wenn Hans Scholls Freundin Traute Lafrenz-Page von der rohen „Einscharrung“ der Ermordeten auf dem Friedhof am Perlacher Forst erzählt, dann braucht es zusätzlich nicht mehr als ein Foto der Begräbnisstätte, damit das Geschehen im Kopf des Zuschauers Gestalt annimmt. Ähnlich verhält es sich, wenn Hans Hirzel aus dem Ulmer Freundeskreis der Studenten davon berichtet, wie er die Briefkuverts für die Versendung der Flugblätter an einem gut versteckten Platz hinter der Orgel der Martin-Luther-Kirche beschriftete, an der sein Vater Pfarrer war, oder wie der berüchtigte Volksgerichtshofspräsident Roland Freisler beim zweiten Weiße-Rose-Prozess im April 1943 ein milderes Urteil über Hirzels Schwester fällte, da er sie als „Urbild eines germanischen Mädchens“ sah: Solche Erinnerungsfragmente benötigen weder das emotionsheischende Aufsuchen von Originalschauplätzen noch eine gefühlsverstärkende musikalische Untermalung; eine anschauliche Erzählweise sowie zwei, drei Fotoeinblendungen genügen, um zu fesseln.
Ein Credo, das die Dokumentaristin konsequent beherzigt. Streng könnte der aus langen, ungeschnittenen Interviewpassagen, Schwarz-Weiß-Fotos, Zeitdokumenten und einem Off-Kommentar bestehenden Film wirken, wäre da nicht die so große Lebendigkeit der perspektivisch und detailfreudig aufgefächerten Rückblicke auf das, was man „Geschichte“ nennt. Zum Selbstdarsteller taugt erfreulicherweise kaum einer der vielen Gesprächspartner, auch wenn sich ein Großteil der Befragten durch Unterstützung oder Mitwisserschaft der Flugblatt-Aktionen selbst in große Gefahr begeben und nur aus Zufall oder Glück der Ermordung durch die Nationalsozialisten entkam. Doch es sind auch die verwendeten Fotoaufnahmen, die den Blick des Betrachters binden: Neben dem bekannten Bildmaterial über die Weiße-Rose-Mitglieder – Sophie Scholl im Profil, mit burschikoser Kurzhaarfrisur, ein lächelnder Christoph Probst mit Pfeife im Mund – montiert Seybold zahlreiche, noch „unverbrauchte“ Fotos dieser nachdenklichen, lachenden, diskutierenden, rauchenden, vor allem aber immer wieder so frappierend jungen Gesichter, die die alte Frage „Wie hätte ich gehandelt?“ stets aufs Neue und eindringlich stellen. Zu Halbgöttern werden die Vertreter der Weißen Rose deshalb nicht stilisiert. Was Heldentum ausmache, will die Filmemacherin dagegen abschließend dennoch wissen. Das, formuliert Traute Lafrenz-Page, sei „der Grad des Bewusstseins, mit dem man etwas tut“.