Desert: Who is the man?

Dokumentarfilm | Schweiz 2008 | 76 Minuten

Regie: Felix Tissi

Dokumentarfilm über das "Prinzip Wüste" als Kristallisationspunkt menschlichen Seins in der Moderne. Eine kraftvolle Bildsprache, die mit Zeitlupen, Schwarz-Weiß- und extremen Detailaufnahmen experimentiert, erschließt die überwältigende Schönheit der weiten, spröden Natur. Das Ergebnis sind spielerische Impressionen als Spiegel menschlicher Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DESERT: WHO IS THE MAN?
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Balzli & Fahrer Filmprod./ARTE/SF DRS/SRG SSR idée suisse
Regie
Felix Tissi
Buch
Felix Tissi
Kamera
Felix Tissi · Pierre Reischer
Musik
Mich Gerber
Schnitt
Felix Tissi
Länge
76 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb | TMDB

Veröffentlicht am
07.11.2008 - 11:29:05
Diskussion
„Es ist kein typischer Wüstenfilm“, sagt Felix Tissi fast ein wenig entschuldigend über seinen Dokumentarfilm „Desert – Who is the Man?“ Was die Frage aufwirft, wie ein solcher denn auszusehen hätte. Man mag an Skorpione denken, die unter Steinen hervorkriechen, Kamelkarawanen, weite Dünenlandschaften, Sonnenuntergänge, Berberzelte, Beduinen im Schneidersitz. Weil das alles bei Tissi nicht zu sehen ist, hat der Schweizer Regisseur mit seiner Einschätzung wohl recht. Die Wüste interessiert ihn weder aus naturkundlicher noch ethnologischer Perspektive als konkreter Ort auf der Landkarte, sondern als Projektionsfläche für die menschliche Seele. Ausgerechnet die unwirtliche Einöde, die Grenzlandschaft zwischen Leben und Tod betrachtet er als Kristallisationsort des menschlichen Seins. Was ihn fasziniert, ist das Prinzip Wüste, dem er anhand der vor 2000 Jahren in den Boden der peruanischen Wüste gescharrten gigantischen Zeichnungen („Geoglyphen“) ebenso nachspürt wie am Beispiel einer einsamen asketischen Wüstentouristin in Ägypten oder eines tiefgläubigen Christen, der seit 35 Jahren in der kalifornischen Wüste zu Gottes Ehren einen farbig bemalten Berg erbaut. Ihre Geschichten präsentiert Tissi ohne Anfang, ohne Ende und ohne jeden erklärenden Kommentar. Stattdessen nutzt er sie als Ausgangspunkt für eine kraftvolle assoziative Bildsprache, die mit Zeitlupen, Schwarzweiß- und extremen Detailaufnahmen experimentiert, in die aber ebenso die überwältigende Schönheit der weiten, spröden Natur einfließt. Das Ergebnis sind spielerische, bis an die Grenze zur Manieriertheit geschraubte, aber auch wunderbar poetische Impressionen. Spätestens wenn der Regisseur, Kameramann (gemeinsam mit Pierre Reischer) und Cutter Tissi die Erzählung seiner Protagonistinnen jäh abschneidet, versteht man, dass es sich bei „Desert – Who is the Man“ eher um ein Filmessay über den modernen Menschen im Spiegel der Wüste handelt. Die Natur dient Tissi als Spiegel der Innenwelt, eine (fast) weiße Leinwand für Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste. Das offenbart sich in den Prozessionen am Mosesberg in Sinai auf religiöse Weise. Beim „Burning Man Festival“ in Nevada nimmt es skurrile spirituelle Züge an, wenn Künstler und Freaks eine Woche lang in eine bizarre futuristisch-anarchische Gegenwelt eintauchen, um am Ende eine riesige Holzstatue („The Man“) rituell zu verbrennen. Und es äußert sich auf perverse Weise in den Archivbildern von den Atomwaffenversuchen und grausamen Tierexperimenten in der selben Landschaft Nevadas. Die Wüste entwickelt sich auf diese Weise zur schillernden Chiffre für die menschliche Natur mit all ihrer Schönheit und all ihren Abgründen. Die Erkenntnis, die sich daraus gewinnen lässt, ist nicht neu, die Art. sie zu präsentieren, nicht immer zwingend oder spannend, aber zumeist doch von einer außergewöhnlichen Ausdruckskraft.
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